Keine Angst vor Nietzsche

■ Ab heute hat das ZDF eine neue Kultursendung – und keiner hat das so richtig gemerkt: „aspekte“ wurde renoviert (22.15 Uhr, ZDF)

Manfred Eichel war einer, den man lieb gewinnen konnte. Seine Nase zum Beispiel. Seine Sprechpausen. Oder seine „aspekte“. Und wie er immer dreingeschaut und erklärt hat, in den acht Jahren, in denen er dem ZDF-Kulturmagazin vorstand. Aber womöglich ist das eine andere Geschichte.

Denn ab heute hat das ZDF eine neue Kultursendung. Und keiner hat’s gemerkt. In den TV-Illustrierten wird freitags auch weiterhin 22.15 Uhr: „aspekte“ stehen. Aber womöglich ist das ein anderes Magazin.

Jedenfalls klingt es danach, wenn man den neuen Redaktionsleiter – er heißt Wolfgang Herles, ist 49 Jahre alt, sieht aus wie ein Feuilletonist und versteht sich auch so – über seine Sendung reden lässt. Und mehr als sich und seine Pläne inmitten der unspektakulären Redaktionsräume im fünften Stock – und mitten in den Bauarbeiten – der neuen ZDF-Hauptstadt-Dependance konnte Herles vorab nicht präsentieren.

Geblieben sind demnach ein Sendeplatz (Fr., 22.15 Uhr), eine Moderatorin (Luzia Braun) und die Hälfte der insgesamt 15 Redakteure, der Redaktionssitz (Berlin-Mitte), der Redaktionsleiter (Wolfgang Herles), zwei Moderatoren (Herles und Roger Willemsen) sowie Ausrichtung, Konzept, Design, Logo und alles. Und dass im neuen Logo auch weiterhin „aspekte“ steht, verdankt die 34 Jahre alte Sendung dem Zuschauer bzw. der Innovationsängstlichkeit des ZDF.

Denn in der Tat gab es schon eine andere Titelidee. Die aber sei, ziert sich Herles, nicht gut angekommen. Außerdem wüssten 90 Prozent der Zuschauer mit dem alten Namen etwas anzufangen – auch , wenn sie auf Nachfrage zumeist „Schon lange nicht mehr gesehen“ antworten würden.

Was nun natürlich ebenfalls anders werden soll: „Politischer, provokanter und populär“ nämlich „schneller, frühzeitiger“ und natürlich „weniger bildungsbürgerlich, weniger elitär“, wie Herles das neue Konzept beschreibt, wenn er nicht gerade Sätze sagt wie „Ich habe keine Angst vor Nietzsche (es kommt nur darauf an, wie man’s macht)“ oder, dass er selbst „kein regelmäßiger „,aspekte‘-Gucker“ gewesen und „das ironische Zeitalter noch nicht vorüber“ sei. „Mehr Show als Substanz: Das ist Berlin!“ sagte Herles. Zweimal. Zum Mitschreiben.

Mit solchen Thesen sollen den zuletzt knapp 900.000 Zuschauern (bei den sonntäglichen ARD-Kultursendungen sind es ein gutes Drittel mehr, beim freitags konkurrierrenden „Bericht aus Berlin“ auch), von denen außerdem die Hälfte älter ist als 14 bis 49 Jahre, jetzt rund 100.000 Zuschauer und speziell die 30- bis 40-Jährigen zugeführt werden – und mit Vor-Ort-Moderationen (heute: aus dem Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm, fünf Fußminuten von der Redaktion entfernt), einem weit ins Politische erweiterten Kulturbegriff (heute: „Putin, Grosny und die Intellektuellen“) und mit dem gepfiffenen Tatata-taaaa aus Beethovens Fünfter als „akustischem Erkennungsmerkmal“ – von dem Herles spricht, als hätte er’s sich selbst ausgedacht.

Was alles nicht heißen soll, dass Herles der Kultur im TV nicht auch ein paar prima „aspekte“ abgewinnen mag. Es kommt eben nur darauf an, wie man’s macht.

Christoph Schultheis