■ Weinprobe: Mit Durchbruch zum Hin- und Herflitzen
Das „Bacco“: Viele gute Tropfen in ökologisch korrektem Ambiente
Der Mann gehört zum Kreuzberger Urgestein. Seit den kämpferischen 80er-Jahren ist der heute 46-jährige Helmut Hahne im Kiez rund um Bergmann- und Gneisenaustraße zu Hause. In diesen bewegten Zeiten beging Hahne das Wagnis, in seinem Souterrain - Naturkostladen „Andramut“ nicht nur politisch korrekte körnerreiche Nahrungsmittel, sondern auch gaumenschmeichelnde und naturschützerisch nicht minder wertvolle Rohmilchkäse feilzubieten, was der asketisch-kämpferischen KundInnenschaft vermutlich nicht immer ganz leicht zu vermitteln war.
Der Weg von der Askese zum Genuss
Mitte der 90er-Jahre, die Zeiten waren genussfreundlicher und nicht wenige der Kunden OberstudienrätInnen geworden, zog auch Hahne eine Etage höher. Gleich neben dem Haupteingang der Marheineke-Markthalle in der Zossener Straße eröffnete er das Weingeschäft „Bacco“, wo der Konsument sich heute einer verwirrenden Vielfalt von über 300 ökologisch erzeugten Rebensäften ausgesetzt sieht.
Das Sortiment erstreckt sich vom einfachen Öko-Tropfen aus Südfrankreich bis hin zu Edelstoffen wie etwa dem 1998er Spätburgunder vom Recher Herrenberg an der Ahr, erzeugt vom Weingut Bäcker, die 0,5-Liter-Flasche für 32,90 Mark. Donnerwetter: Für die Degustatoren des „Berliner Weinführers“ war dies der Favorit von 25 Spätburgunderweinen aus dem gesamten Berliner Weinhandel.
Doch Vorsicht! Das winzige Ladengeschäft ist derart mit Flaschen vollgestopft, dass der typischerweise rucksackbewehrte Kreuzberger Konsument stets fürchten muss, Bruchschäden an den an allen Ecken und Kanten postierten Behältnissen zu verursachen.
Mehr Platz findet der Weinfreund in der Weinkneipe „Enoteca Bacco“, die Helmut Hahne im letzten Frühjahr gleich neben seinem Weingeschäft eröffnet hat. Ein Durchbruch machte es möglich, dass der Inhaber zwischen Laden und Weinstube hin- und herflitzen kann. In das Weinlokal hat Hahne seine ganze Leidenschaft (und ordentlich Schotter) in mediterranes Ambiente investiert.
Bunte Steinmosaike zieren den Tresen und die schlanken Säulen in den Ecken; die ockerfarbenenen Wände sind, ökologisch wertvoll, mit Lehm verputzt. Nicht ohne Stolz versichert Neugastronom Hahne, dass die zierlich-rustikalen Stühle und Tische eigens für das Lokal angefertigt wurden. Kleine Lampen aus Muranoglas beleuchten die Wandregale, in denen mit Essig, Öl und Sherry (natürlich käuflich!) befüllte Glasballons stehen. In dieser müßigen Atmosphäre kann man die im Laden erhältlichen Öko-Tropfen glasweise genießen.
Zu empfehlen wäre etwa der taz-Wein des Monats Dezember, ein kraftvoller Bordeaux vom Chateau Falfas, das 0,1-Liter-Glas für äußerst faire 5,50 Mark. Dazu serviert Helmut Hahne gern eine Rohmilchkäseauswahl. Wen es eher nach Weißwein gelüstet, der ist bestens bedient mit dem nach Pfirsich duftenden, vollen und körperreichen Grecchetto aus Umbrien, „Terre di San Nicola“ von di Filippo, das 0,1-Liter-Glas für ganze 3,50 Mark (für 14,90 Mark geht die Flasche außer Haus). Dazu passt warmer Bio-Ziegenfrischkäse mit Feldsalat für 12,50 Mark oder auch ein belegtes Ciabattabrot für fünf Mark.
Gerüstet für die sparsamen 00er-Jahre
Kleine Öko-Genüsse für die sparsamen 00er-Jahre, die zum Schwelgen in Erinnerungen einladen – auch hierfür bietet Helmut Hahne Anregungen: Als Reminiszenz an bewegte Zeiten lange vor dem Durchbruch trägt er auch heute noch derbe schwarze Lederhosen.
Eberhard Schäfer
Enoteca Bacco, Marheinekeplatz 15, Berlin-Kreuzberg, Tel.: 692 98 13. Geöffnet Mo–Fr von 10.00 bis 22.00 Uhr, Sa 10.00 bis 16.00 Uhr.
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