Die CDU-Spendenaffäre und ihre Folgen (2): Unabhängige Kommission sollte Spendenfluss kontrollieren
: Schwarzes Geld auf schwarzen Konten

Es geht um die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Parteien in der Bundesrepublik

Zeitungen, Nachrichten, Talkshows: Alle sind sie vollgestopft mit der CDU-Spendenaffäre. Täglich werden neue Personen und Parteigliederungen in den Strudel hineingerissen. Die Zukunft der CDU ist ungewiss. Gewiss ist allerdings: Die Verfassung wurde verletzt, denn nach Artikel 21 müssen die Parteien „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel (...) öffentlich Rechenschaft geben“. Wie können solche Skandale künftig vermieden werden? Und wo ist der Skandal genau zu verorten?

Momentan wird vor allem die vorsätzlich falsche Verbuchung jener Spenden diskutiert, die über 20.000 Mark lagen. Doch sind auch andere Gesetzes- und Regelverstöße an der Tagesordnung, die bisher weitgehend unbemerkt blieben. Drei Beispiele:

Beispiel 1: Da sind die ominösen vier Vermächtnisse, die die hessische CDU und ihr Frankfurter Kreisverband erhalten haben: insgesamt etwa 12,6 Millionen Mark. Delikat ist, dass dies über Liechtenstein gelaufen ist und einer der beiden Testamentsvollstrecker davon nichts wusste. So sehr dies nach illegalem Geld, ja nach Geldwäsche stinkt, der eigentliche Gesetzesbruch ist ein anderer: Auch ein Vermächtnis ist eine Spende und nach Paragraph 25,2 des Parteiengesetzes „unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders (...) im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen“. Genau dies ist nicht geschehen.

Die Vermächtnisse wurden zwar ausdrücklich als Erbschaften ausgewiesen, aber unter der Rubrik „sonstige Einnahmen“ versteckt. Trotzdem bleiben sie, was sie sind, nämlich Großspenden. Da hilft auch nicht, wenn die CDU behauptet, die ungenannten Erblasser kämen aus dem Ausland, aus deutschstämmigen jüdischen Emigrantenkreisen – im Gegenteil. Das Parteiengesetz sagt nämlich ganz klar, dass Spenden „von außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes“ sowie von Ausländern nicht angenommen werden dürfen, wenn sie 1.000 Mark übersteigen. Also unter Umständen ein doppelter Gesetzesbruch: Spenden wurden gesetzwidrig verbucht, die gesetzwidrig angenommen wurden.

Beispiel 2: die regelmäßigen Sonderbeiträge der Bundestags- und Landtagsabgeordneten an ihre Fraktion und Partei, die einst so genannten Parteisteuern. Sie verstoßen eindeutig gegen das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975. Hier sind alle Parteien Sünder, wenn auch die größten die Grünen sind. Etwa 3.000 Mark führt jeder grüne Bundestagsabgeordnete monatlich an Fraktion, Partei, Ökofonds und internationalen Solifonds ab. Diese Sonderbeiträge über 20.000 Mark sind zwar fein säuberlich im Rechenschaftsbericht der Partei aufgelistet – dennoch ist dies ein Widerspruch zum Diätenurteil.

Schließlich Beispiel 3: das so genannte Sponsoring, das sich auf Bundesparteitagen mancher Partei beobachten und genießen lässt – und auch darüber hinaus weit verbreitet ist. Da richten Unternehmen, allen voran jene berühmte, der Welt größte Hamburgerbraterei, die kalten und warmen Buffets für die Journalisten, die Delegierten und die Ehrengäste aus. Ja, sie gehen einen Schritt weiter: Sie organisieren, finanzieren und sponsern auf Marktplätzen Wahlveranstaltungen; der Spitzenkandidat braucht nur noch die Bühne zu betreten und das Mikro einzuschalten. Dies sind „geldwerte Leistungen“, die den begünstigten Parteien zufließen. Sie müssten – wenn sie, wie offensichtlich, über 20.000 Mark im Jahr liegen – als Spende im Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden. Man wird jedoch dort vergeblich suchen. Also auch hier ein Verstoß gegen das Parteiengesetz, das in seinem Paragraphen 26 eindeutig ist: „Als Einnahmen gelten auch (...) die Übernahme von Veranstaltungen und Maßnahmen, mit denen ausdrücklich für eine Partei geworben wird, durch andere.“

Die Beispiele zeigen, dass der Fluss politischen Geldes – eben die Partei- und Wahlkampffinanzierung – kaum zu kontrollieren ist. Er sucht sich immer neue Umwege und Durchlässe. Es häufen sich die Vorschläge, wie das gerade erst 1994 veränderte Parteiengesetz erneut novelliert werden könnte. Diese Forderungen sind gut gemeint, aber wahrscheinlich auf Dauer wirkungslos: ob nun Spendenhöchstgrenzen eingeführt, Direktspenden an Politiker offen gelegt oder Verletzungen des Parteiengesetzes zum Straftatbestand aufgewertet werden sollen.

Das Parteiengesetz kann nicht nach jedem Skandal wieder novelliert werden. Vielmehr müssen die Skandale von vornherein vermieden werden. Es geht darum, das Ansehen und die Legitimität der Parteien wiederherzustellen, die durch die Finanzierungsskandale schwer beschädigt werden. Oder – viel bescheidener: Es gilt zumindest dazu beizutragen, dass die Parteien durch nicht immer neue Tricks und Machenschaften in ihrem Finanzierungsgebaren weiter an Glaubwürdigkeit verlieren.

Doppelter Rechtsbruch: Gesetzwidrige Spenden wurden gesetzwidrig verbucht

Ein Weg zu diesem Ziel: eine unabhängige Kontrollkommission zur Partei- und Wahlkampffinanzierung einzurichten. Ihre Aufgabe wäre es, die Regelungen des Parteiengesetzes durchzusetzen, zu interpretieren und auf Grund von Präzedenzfällen das Parteienfinanzierungsrecht weiterzuentwickeln. Diese Kommission könnte – nach dem Vorbild der Federal Election Commission in den Vereinigten Staaten – aus drei oder fünf unabhängigen Persönlichkeiten bestehen. Sie würden vom Bundespräsidenten vorgeschlagen und jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bestätigt, so dass nicht der Verdacht parteipolitischer Einseitigkeit aufzukommen vermag. Die Kommission wäre unabhängig, nicht an Weisungen des Bundespräsidenten, des Bundestages, des Bundesrates oder der Bundesregierung gebunden, sondern nur dem Parteiengesetz verpflichtet. Sie müsste staatsanwaltliche Kompetenzen erhalten, von sich aus recherchieren können und ohne Vorankündigung Akten- sowie Konteneinsicht für alle Parteiebenen zugesprochen bekommen. An sie gingen die von ihr zu prüfenden und zu veröffentlichenden Rechenschaftsberichte der Parteien. Ihr obläge auch die Zuweisung staatlicher Mittel an die Parteien. Damit würde der Bundestagspräsident von dieser Aufgabe entlastet, in Konfliktfällen wie der CDU-Spendenaffäre geriete er nicht in den Parteienstreit.

Eine derartige Kontrollkommission kann nur dann erfolgreich wirken, wenn sie Zähne und Biss hat, über Kompetenzen verfügt, Macht erhält. Die Parteien sollten den Mut haben, einen solchen fast revolutionär zu nennenden Schritt zu tun. Es geht darum, ihre Glaubwürdigkeit, ihre Legitimität wiederherzustellen. Erst wenn dies geschehen ist, können sie die ihnen im Grundgesetz zugeschriebene Aufgabe wieder richtig wahrnehmen, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Peter Lösche