Falscher Ehrgeiz zur falschen Zeit

Brigitte Baumeister war sechs Jahre lang die Schatzmeisterin der CDU. Jetzt ist die Schäuble-Vertraute, die die Schuld für ihren einstigen Mentor übernommen hat, zum Spielball in der Spendenaffäre geworden ■ Von Karin Nink

Berlin (taz) – Den Kardinalfehler hat Brigitte Baumeister vor gut zwei Jahren gemacht. Da wollte der damalige Bundeskanzler und Parteichef Helmut Kohl von ihr wissen, ob der Waffenhändler Karlheinz Schreiber jemals an die CDU gespendet habe. Hintergrund für die Frage des Alten waren staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Baumeisters Vorgänger in der Schatzmeisterei der CDU, Walther Leisler Kiep, und gegen den ehemaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Holger Pfahls, im Zusammenhang mit einem von Schreiber vermittelten Panzergeschäft nach Saudi-Arabien. Baumeister erzählte Kohl von der 100.000-Mark-Spende an Schäuble und produzierte damit einen GAU, dessen Auswirkungen nun ihren Mentor und Fürsprecher Wolfgang Schäuble den Parteivorsitz und sie ihre politische Karriere kosten werden.

Hätte Kohl nichts gewusst, hätte er Schäuble nicht unter Druck setzen können. Nun aber hängt Schäuble mittendrin im Spendensumpf. Baumeister muss sehen, wo sie bleibt. Und das ist schwierig, wenn man zu viel weiß, um als unbeteiligt zu gelten, aber wiederum zu wenig, um die Fäden in die eigenen Hände zu nehmen. So wird die „Karrierefrau der CDU“, die sechs Jahre lang für die Parteifinanzen verantwortlich war, zum Spielball in der Spendenaffäre.

Es wird ihr nichts helfen, dass sie die Schuld für die 100.000-Mark-Affäre von Schäuble übernimmt. Dass sie versucht, den Medien zu entkommen. Was immer Baumeister angehängt wird, bleibt auch an Schäuble kleben.

Deshalb äußert sie sich in dem einzigen Interview, das sie bisher gegeben hat, mehr als vorsichtig – „nach meiner Wahrnehmung“, „nach meiner Erinnerung“ sind Formeln, mit denen sie jongliert. Genauso unsicher, wie sie auf den Reporter reagierte, der sie schon am Wochenende in Norderstedt nach den Eintragungen in Schreibers Tagebuch befragen wollte.

Schäuble soll schon damals stinksauer gewesen sein, dass Baumeister Kohl von der Spende erzählt hatte. Ahnte er, dass Kohl ihn eines Tages mit in den Abgrund ziehen könnte? Oder war der ehrgeizige Kronprinz nur sauer, dass es dem Alten offenbar gelungen war, die Schäuble-Vertraute auch ihm gegenüber zur Loyalität zu verpflichten? Bis dahin galt das Verhältnis zwischen Baumeister und Schäuble als ungetrübt.

Über den damaligen CDU-Fraktionschef hatte die Diplom-Mathematikerin eine rasante Karriere in Bonn gemacht. Dem kühlen Schäuble hatte die forsche und spontane Art seiner schwäbischen Landsfrau gefallen. Er machte sie – kaum ein Jahr im Bundestag – zur parlamentarischen Geschäftsführerin. Nur wenige Monate später wurde sie Schatzmeisterin. Ihr Verhältnis zu Schäuble war erkennbar eng: Sie durfte ihm den Rollstuhl schieben oder sein Pfeifentäschchen tragen. In der Fraktion machte das Wort von „Schäubles Horchposten“ die Runde.

Mittlerweile scheint das Verhältnis abgekühlt. Ungerührt macht Schäuble sie als diejenige aus, die bei der 100.000-Mark-Spende von Schreiber Fehler gemacht hat. Und er gibt deutlich zu erkennen, wie wenig Einfluss die ehemalige CDU-Schatzmeisterin hatte: „Die Schatzmeisterin ist zwar ganz wichtig, aber noch wichtiger ist der Parteivorsitzende“, sagte er süffisant. Dabei war sich die frisch gebackene CDU-Schatzmeisterin mal ganz sicher in ihrem Erfolgsrezept: „Zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute kennen und natürlich auch Kluges sagen. Wie das fehlende Stück in einem Puzzle.“

Berauscht von ihrem schnellen Erfolg kam es Baumeister damals wohl nicht in den Sinn, dass sie für Kohl und seine Vasallen ein gutes Mittel zum Zweck war. Hübsch adrett und frisch, wie die 46-Jährige daherkam, zückte ein Vorstandsvorsitzender schon mal schneller das Scheckheft als bei einem graugesichtigen und schwergewichtigen Parteifunktionär. So machte sich die herrschende CDU-Riege den Ehrgeiz der Baumeisterin zu Nutze, aber mit dem sicheren Instinkt dafür, dass sie nicht gefährlich werden könnte.

Baumeister wird schnell gemerkt haben, wie eng ihre Grenzen gesteckt waren. Schließlich gab es den Kohl-Vertrauten und Spendeneintreiber Hans Terlinden. Und es gab Horst Weyrauch, den Finanzberater und Jongleur von Kohls schwarzen Kassen. Spätestens aber, als sie 1994 die Zusammenarbeit der CDU mit dem dubiosen Spendeneintreiber Hannes Müller auflöste, der von jeder Spende 40 Prozent Provision kassierte, und nach einem Jahr feststellen musste, dass dieser trotz einer Millionenabfindung unter einem neuen Firmennamen weiter für die CDU tätig war, muss sie gemerkt haben, wie wenig sie zu sagen hatte.

Mut bewies sie trotzdem, als sie Müller anzeigte, weil dieser auch Spendengelder für die Union veruntreut hatte. Müller wurde verurteilt. Und Baumeisters Courage verschaffte ihr Renommee. Aber nur so lange, wie ihre Tätigkeit als Aufsichtsrätin für eine windige schwäbische Finanzberatung nicht bekannt war. Die Firma machte Pleite. Niemand verstand, wie sich Baumeister dort hatte engagieren können. Doch die Verlockung des großen Geldes scheint groß, wenn man gerade eben noch im Kreisvorstand der CDU gesessen hat und nun mit den Reichen und Mächtigen des Landes dinieren darf, um die Kassen der Partei zu füllen.

So manches muss Baumeister dubios vorgekommen sein, doch sie war ehrgeizig genug, nicht die falschen Fragen zu stellen. Wie sich heute zeigt, ein falscher Ehrgeiz. Sie hat die falschen Leute zur falschen Zeit gekannt. Nur das freie Stück im (Spendenskandal)-Puzzle der CDU ist sie geblieben.