Frankreich nach dem Orkan-Chaos

Holzfällern und Elektrikern gehört die Zukunft. 250 Millionen zerstörte Bäume. Immer noch sind einige Regionen ohne Strom

Paris (taz) – Nie waren Holzfäller in Frankreich so begehrt wie heute. Um schnell an zusätzliches Personal zu kommen, haben die französischen Behörden in dieser Woche sogar eine Schnellausbildung zum Hilfsholzfäller eingeführt. Doch auch das wird nicht genügen, um die von „Lothar“ und „Martin“ verwüsteten Wälder noch vor der kommenden Pflanzperiode aufzuräumen. Um Fußgänger, Gebäude und das übrig gebliebene Gewächs vor geschädigten Bäumen zu schützen, deren Äste beim nächsten Windstoß abbrechen können. Und um wenigstens das Holz der 250 Millionen zerstörten Bäume vor Vermodern und Insektenbefall zu retten.

Knapp drei Wochen nachdem die beiden Stürme über Europa rasten, steht fest, dass das besonders stark betroffene Frankreich Jahre brauchen wird, um die Folgen zu beseitigen. In einzelnen Regionen, wie den von Holzverarbeitung und „grünem Tourismus“ abhängigen Vogesen, wird die Spurenbeseitung sogar Jahrzehnte dauern. Zu den 88 direkten Todesopfern der Stürme müssen inzwischen mehrere bei Bergungsarbeiten ums Leben gekommene Personen hinzugezählt werden.

Mindestens so schwer wie die Waldschäden wiegen jene in der Landwirtschaft und an Industrieanlagen, darunter auch dem AKW Blayais, das nur knapp einer Katastrophe entging, sowie an der Infrastruktur und am Wohnraum. Bei ihrer Raserei mit bis zu 173 Kilometer pro Stunde nahmen „Lothar“ und “Martin“ en passant neben Kirchtürmen und Schlossdächern auch 30 jener Hochspannunsleitungen à 400.000 Volts mit, auf die die französische Elektrizitätsgesellschaft EdF so stolz ist. 3,45 Millionen Haushalte im Land hatten nach den Orkanen keinen Strom mehr, und über zwei Millionen Haushalte waren vom Wassernetz getrennt. 1.150 Hochspannungsmasten und 25.000 Masten der Ortsnetze sind zerstört worden. Trotz des Schadens gab die EdF gestern bekannt, sie wolle in den nächsten Jahren durch weitere Zukäufe im Ausland und durch neue Geschäftsfelder wachsen.

Vier Autobahnen und 30 Nationalstraßen mussten wegen Schäden gesperrt werden; mindestens 150 Millionen Mark wird es kosten, das Eisenbahnnetz zu reparieren.

Für mehrere hunderttausende Franzosen hatte das neue Jahrtausend statt mit dem Computervirus mit Kerzenlicht und Lagerfeuer begonnen. Selbst gestern noch waren Mitarbeiter der EdF damit beschäftigt, die letzten stromlosen Sturmopfer in der Provinz mit Notaggregaten zu versorgen.

Trotz des Chaos stimmten die Franzosen unmittelbar nach den Stürmen ein Loblied auf ihre „schnellen und effizienten“ öffentlichen Dienste an. Diese nutzten ihrerseits die Gunst der unerwarteten Sympathiewelle: „Service Public“ steht groß auf ganzseitigen Zeitungsanzeigen. Das Foto daneben zeigt, wie zwischen darniederliegenden Bäumen ein kleines gelbes Auto über eine kaputte Straße fährt. „Die Post“, ist darunter zu lesen, „im Dienst aller unserer Kunden, unter allen Umständen.“Dorothea Hahn