Kobe betet für die wirtschaftliche Erholung

■ Fünf Jahre nach dem Erdbeben in Japan schließen die letzten Notunterkünfte. Die Gewerbegebiete sind wieder aufgebaut, aber bei weitem nicht alle Wohnhäuser

Tokio/Akashi (taz) – Als letzter Bewohner der Notunterkunft Akashi im Westen Kobes hat Masanori Moriyama vergangenen Freitag die Schlüssel zu seiner Baracke zurückgegeben. 1.874 Tage hat der 47-jährige Kleinunternehmer zusammen mit Frau und Kind auf 20 Quadratmetern gelebt, bis er endlich in sein neues Haus umziehen konnte. Moriyama ist erleichtert und besorgt zugleich: „Ich bete für eine bessere Konjunktur, damit meine Firma aufblüht und ich die Schulden bis zum 65. Geburtstag abgebaut habe.“

Fünf Jahre nach der Katastrophe vom 17. Januar 1995, die 6.425 Menschenleben foderte, 250.000 Häuser zerstörte und rund 48.000 Familien obdachlos machte, findet der Besucher in Kobe und Umgebung nur noch vereinzelt Spuren des schweren Erdbebens. Bis Ende März sollen nach einer zweijährigen Verspätung die letzten sechs von insgesamt 653 Notunterkünften geschlossen werden. Wie das Wirtschaftsinstitut Daiwa berechnete, stehen aber erst 153.000 von 230.000 Häusern, die neu gebaut werden müssten. Die Bautätigkeit im privaten Wohnungsbau ist 1999 eingebrochen, und gerade 3.000 Häuser oder zwei Prozent sind dazugekommen. Vor allem ältere Menschen verfügen nicht mehr über die wirtschaftlichen Ressourcen, um einen Neubau zu finanzieren. Sie zogen entweder zu ihren Kindern oder erhielten eine städtische Wohnung zugeteilt.

Doppeltes Pech: Nach dem Beben kam die große Krise

Die Stadtbehörden Kobes weisen lieber darauf hin, dass nun 94 Prozent aller zerstörten Geschäftsbauten wiederhergestellt sind. „Damit ist der Wiederaufbau beendet, und wir hoffen auf eine wirtschaftliche Erholung in der Region“, kommentierte Kazutoshi Sasayama, Kobes Bürgermeister, die Zahlen. „Wir wollen das Image der Erdbebenstadt Japans hinter uns lassen und an unsere traditionelle Rolle als Türöffner zum japanischen Markt zurückfinden“, fügt er hinzu. Mit der Weltgartenschau „Japan Flora 2000“ will die Stadt von März bis September internationale Besucher auf das „neue Kobe“ aufmerksam machen. Zudem hat das städtische Amt für Wirtschaftsförderung eine Initiative gestartet, die junge Unternehmer aus Zukunftsindustrien anlocken soll, und bietet Steuervergünstigungen und professionelle Beratung beim Aufbau eines Unternehmens an.

Neue Unternehmer braucht die Region auch dringend, denn Kobe hatte doppeltes Pech. Kurz nach dem Erdbeben schlitterte Japan in die tiefste Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Diese zusätzliche Belastung hat sich so negativ auf die Regionalwirtschaft ausgewirkt, dass die örtlichen Geschäfte auch heute noch 20 Prozent weniger umsetzen als 1995 und das jährliche Pro-Kopf-Einkommen um sieben Prozent gesunken ist. Es liegt mit 51.200 Mark deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 56.100 DM.

Am schwersten hat es die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Region getroffen. Von rund 100.000 KMU, die im April 1994 gezählt wurden, existieren nur noch 87.000. Auch die Arbeiter im Hafen von Kobe, der vor dem Erdbeben die Nummer zwei auf der Welt war, warten noch auf die Erholung. Dort wurden 1999 noch immer 40 Prozent weniger Waren umgeschlagen als vor dem Erdbeben. Ein drastischer Einbruch. André Kunz