Eine afrikanische „Verbrecherzentrale“?

■ Sierra Leones Rebellen und Liberias Regierung schmuggeln Diamanten gegen Waffen. Das steht in einem neuen Bericht, der selber nicht neutral ist

Brüssel (taz) – „Heart of the Matter“ nannte der britische Schriftsteller Graham Greene seinen 1948 erschienenen Roman über Geheimdienstaktivitäten in der britischen Kolonie Sierra Leone in Westafrika. „Heart of the Matter“ heißt auch eine letzte Woche erschienene Studie einer Koalition kanadischer Nichtregierungsorganisationen darüber, wie Verbrecher, Warlords und Rebellen den illegalen Handel mit Diamanten aus Sierra Leone kontrollieren und daraus Profit schlagen. Die internationalen Kampagnen gegen Diamantenschmuggel aus Afrika gewinnen damit an Stärke, nachdem unter anderem die deutsche „Medico International“ im vergangenen Jahr die Finanzierung der angolanischen Unita-Rebellen durch illegale Diamantenverkäufe anprangerte. Aber bei näherem Hinsehen verrät die Parallele zu Graham Greene einen realen, dubiosen Hintergrund.

Sierra Leone exportierte 1998 offiziell 8.500 Karat Diamanten. Die in Antwerpen, dem internationalen Umschlagplatz für Diamanten, von „High Diamant Council“ registrierten belgischen Importe aus Sierra Leone betrugen dagegen 770.000 Karat. Die Importe aus dem Nachbarland Liberia beliefen sich zwischen 1994 und 1998 sogar auf sechs Millionen Karat jährlich, während Liberia selbst nur eine Förderkapazität von unter 150.000 Karat hat. Und die Elfenbeinküste, dessen Diamantenminen Mitte der 80er-Jahre geschlossen wurden, exportierte zwischen 1995 und 1997 1,5 Millionen Karat nach Belgien. Offensichtlich findet in der Region ein massiver Schmuggel zum Nachteil des Staates Sierra Leone statt.

Der Schmuggel, so der Bericht, ermöglichte Sierra Leones Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front), jahrelang Krieg zu führen. So heuerten die Buschrebllen zwei britische Firmen an, die Anfang 1999 aus der slowakischen Hauptstadt 40 Tonnen Maschinengewehre und Raketenwerfer lieferten – „zweifellos mit Diamantenressourcen erworben“, so der Bericht. Die auf Seiten der sierraleonischen Regierung kämpfende westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog verhaftete vor einem Jahr in Sierra Leone einen israelischen Händler namens Yair Klein, der jetzt wegen „Spionage“ für die Rebellen und Waffenverkäufe an sie vor Gericht gestellt werden soll. Die Waffenverkäufe wurden über Liberias Präsidenten Charles Taylor abgewickelt, den der Bericht beschuldigt, mittels der RUF ein „kriminelles“ Marionettenregime in Sierra Leone installieren zu wollen.

Die RUF schloss im Juli 1999 Frieden mit Sierra Leones Regierung. Diamanten waren in den Friedensbestimmungen zentral: RUF-Führer Foday Sankoh wurde Chef einer neu gegründeten Bergbaukommission. Die von der RUF kontrollierten Gebiete um Kailahun im Osten Sierra Leones an der Grenze zu Liberia werden derweil zum Anbau von Opium und Kokain genutzt, so der Bericht. „Es besteht wenig Zweifel daran, dass Liberia eine Zentrale für massive, mit Diamanten zusammenhängende kriminelle Aktivitäten geworden ist, mit Verbindungen zu Schmuggel und Diebstahl in ganz Afrika“, heißt es. „Im Austausch für Waffen hat es der RUF einen Outlet für Diamanten zur Verfügung gestellt und das gleiche für andere Diamanten produzierende Länder getan. Dies fördert Krieg und gibt dem organisierten Verbrechen einen sicheren Hafen.“

Die Diamanten im Rebellengebiet werden von einfachen Schürfern aus Boden und Flussbetten geholt. Viele Bergbaufirmen würden sie gerne selber abbauen – und einige unterstützten daher in den vergangenen Jahren die Regierung Sierra Leones. Sie ließen sich die Vermittlung von Militärhilfe mit Diamantenkonzessionen bezahlen. Der Bericht nennt die in Antwerpen ansässige Firma „Rex Diamond“, die Konzessionen in den wichtigen Diamantengebieten Zimmi und Tongo hält. Ihre beiden Direktoren hätten der Regierung Rüstungsmaterial im Wert von 3,8 Millionen Dollar vermittelt.

Die Firma „AmCan Minerals“ mit Sitz in Toronto und Förderlizenzen in Sierra Leone hat, so der Bericht, vor kurzem die südafrikanische Sicherheitsfirma „Arm-Sec International“ gekauft. Und als 1995 die südafrikanische Söldnerfirma „Executive Outcomes“ von Sierra Leones damaliger Regierung zum Kampf gegen die RUF engagiert wurde, bekam die vermittelnde Bergbaufirma „Branch Energy“ Diamantenkonzessionen mit 25 Jahren Laufzeit.

Seltsamerweise hat der Bericht an dieser Seite des Krieges wenig auszusetzen. Die Aktivitäten von „Executive Outcomes“ waren „zu einem guten Zweck“, findet der Bericht, und die Hilfe der britischen Söldnerfirma „Sandline“ für Sierra Leones Regierung 1998 entgegen eines UN-Waffenembargos sei „vernünftig“ gewesen.

Überraschend ist das nicht, wenn der Leser entdeckt, dass der Bericht von „institutionellen Geldgebern“ in Großbritannien finanziert wurde, die „anonym“ bleiben wollen – eine gängige Sprachregelung für verdeckte staatliche oder gar geheimdienstliche Zuwendungen. Der Bericht unterschlägt die Befunde einer britischen parlamentarischen Untersuchungskommission von 1998 zum Sandline-Skandal, der enge Zusammenarbeit zwischen der Söldnerfirma und dem britischen Geheimdienst MI-6 feststellte. Er empfiehlt internationalen Geldgebern sogar, „die gegenwärtigen Bemühungen der britischen Regierung zum Wiederaufbau der Armee und Polizei Sierra Leones aktiv zu unterstützen“.

Dennoch enthält der Bericht die wichtige Schlussfolgerung: „Unter keinen Umständen sollten Bergbaufirmen im Gegenzug für militärische Operationen oder Waffenlieferungen Konzessionen erhalten.“ Der weltweite Marktführer für Diamanten, die südafrikanische De Beers, soll in Sierra Leone ein amtliches Ankaufbüro eröffnen, statt in den Nachbarländern sierraleonische Diamanten zu erwerben. François Misser