Briten schaffen neuen Pharmariesen

Die britischen Konzerne Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham fusionieren zum weltgrößten Pharmakonzern. Der ist 370 Milliarden Mark wert und liefert weltweit gut 7 Prozent der Medikamente ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Verhandelt, gescheitert, neue Gerüchte und nun die Verkündigung: Es gibt einen neuen größten Pharmakonzern der Welt. Er wird Glaxo SmithKline heißen, hat seinen Sitz in London und den Hauptmarkt in den Vereinigten Staaten. Die beiden britischen Unternehmen Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham fusionieren bis zum Sommer „unter Gleichen“. Das gaben die beiden Konzernchefs gestern bekannt. Die bisherigen Glaxo-Wellcome-Aktionäre werden 59 Prozent am neuen Konzern halten. Der kombinierte Börsenwert beträgt über 370 Milliarden Mark.

Die beiden Konzerne hatten vor zwei Jahren schon einmal ihre Hochzeit bekannt gegeben. Damals waren die Verhandlungen jedoch überraschend gescheitert – wie es hieß, konnten die beiden Konzernchefs, Sir Richard Sykes von Glaxo und Jan Leschly von SmithKline, nicht miteinander. Im vergangenen Jahr hat Jan Leschly jedoch seinen Rücktritt angekündigt und so den Weg zu neuen Verhandlungen freigemacht. Chief Executive Officer des neuen Unternehmens wird Leschlys Stellvertreter, Jean-Pierre Garneir. Chef des Aufsichtsrates wird nun der bisherige Glaxo-Boss Sykes.

Während an der Spitze alles geklärt ist, werden die 107.000 Angestellten weiter in Unklarheit gehalten. Über die Anzahl der gefährdeten Stellen schweigen sich die Verhandlungsführer aus. Entlassungen seien jedoch „unvermeidlich“: Die Fusion soll 1,1 Milliarden Pfund im Jahr einsparen, gut 3,3 Milliarden Mark. Die zuständige Gewerkschaft hat deshalb schon ein Treffen mit der neuen und alten Konzernführung gefordert und auch den Industrieminister Lord Sainsbury hinzugebeten, meldete gestern die BBC.

Allein durch das Zusammenlegen der beiden Abteilungen für Forschung und Entwicklung sollen 250 Millionen Pfund jährlich wegfallen. Das Forschungsbudget der neuen Glaxo SmithKline wird trotzdem noch satte 2,4 Milliarden Pfund betragen – pro Jahr.

Der neue Pharmariese hat einen Jahresumsatz von etwa 50 Milliarden Mark. Damit ist er mit Abstand der größte auf dem Pharmamarkt, sein Weltmarktanteil liegt aber trotzdem nur bei geschätzten 7,4 Prozent. Der Anteil an der Behandlung verschiedener Krankheiten ist aber wesentlich größer – zum Beispiel bei Aids, Diabetes und Asthma.

Der Pharmamarkt ist derzeit einer der sich am schnellsten wandelnden Branchen. Neue Medikamente sind nur unter immer größeren Forschungsaufwendungen zu entwickeln. Außerdem bringt die Einführung der Gentechnik in den Labors erst einmal hohe Anlaufinvestitionen mit sich, die sich erst in einigen Jahren auszahlen werden. Der Trend zur Größe oder zur Spezialisierung auf bestimmte Sektoren zieht sich daher durch alle Transaktionen der letzten Jahre.

Der Glockenschlag zur Runde der Fusionen kam Anfang 1996 ausgerechnet aus der als konservativ verschrieenen Schweiz: Die beiden Basler Chemieriesen Ciba Geigy und Sandoz fusionierten zum damals mit Abstand größen Chemie- und Pharmakonzern mit dem neuen Namen Novartis. Der derzeitige Marktführer ist die US-Firma Merck (ursprünglich ein Ableger des deutschen Unternehmens) mit einem Marktanteil von 4,2 Prozent. Kurz dahinter kommen AstraZeneca und Glaxo Wellcome. Die vor kurzem avisierte Fusion des Viagra-Herstellers Pfizer mit dem US-amerikanischen Warner-Lambert wäre dann künftig die Nummer zwei mit 6,3 Prozent. Und dann steht noch die Hochzeit der schwedisch-amerikanischen Pharmacia-Upjohn mit dem Pharma-Gentechnik-Verfechter Monsanto aus den USA im Verhandlungsstadium.

1998 verschmolzen die deutsche Hoechst und die französische Rhône Poulenc zu Aventis. Es ist der einzige Pharmakonzern unter den Top Ten mit deutscher Beteiligung, auch wenn der Firmensitz sich nun in Straßburg befindet. Der Börsenwert beträgt etwa 100 Milliarden Mark. Die anderen Bausteine der „Apotheke der Welt“, wie Deutschland vor Jahrzehnten in Branchenkreisen genannt wurde, rangieren heute im Weltmaßstab nur noch unter „ferner liefen“.

Die Gründe für das mangelnde Wachstum sind umstritten: Vor allem konnten die deutschen Firmen nicht im nötigen Maße auf dem wichtigsten, weil mit Abstand größten und profitabelsten Markt USA expandieren. Als Begründung wird von den Konzernen oft die Gentechnikfeindlichkeit in Deutschland vorgebracht. Doch tatsächlich dürfte wohl eher der Mangel an Patenten auf konsumentenwirksame Medikamente wie Antidepressionspillen und Potenzpillen ausschlaggebend sein.