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Bernsteinrelief: Eitelkeit geht vor

■ Thema Beutekunst zieht Gräben zwischen Bremer Senat und der Bundesregierung / Diplomaten gönnen Bremen Verhandlungserfolg nicht

Bremen/Moskau – Beim heiklen Thema „Beutekunst“ sind sich seit Jahren nicht nur Politiker in Deutschland und Russland uneins: Die zu Kriegsende von Sowjetsoldaten massenhaft nach Osten verschleppten Kulturgüter sorgen nun auch zwischen Bremens Landesregierung einerseits sowie Kanzleramt und Außenministerium in Berlin andererseits für kräftiges diplomatisches Gerangel. Im tapferen Alleingang der Hanseaten hatte Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) jetzt die Rückgabe des 1997 mysteriös in seiner Stadt aufgetauchten Mosaiks aus dem verschollenen Petersburger Bernsteinzimmer nach Russland angekündigt. Gleichzeitig könnten aus Moskau 101 kostbare grafische Blätter der Bremer Kunsthalle zurückkommen, die während der Auslagerung 1945 von russischen Soldaten in der Mark Brandenburg gestohlen worden waren.

Immerhin hatten Bremen und das russische Kulturministerium bereits vor vier Monaten ein entsprechendes Rückgabe-Abkommen „unproblematisch“ unterschrieben, schildert Senatssprecher Klaus Schloesser. Mit den „einvernehmlichen, zeitgleichen Schritten“, so meint man zumindest im Rathaus an der Weser, hätte man angesichts der unsicheren politischen Lage Russlands nicht nur eine Chance nutzen, sondern zugleich auch der seit langem festgefahrenen Diskussion über die „Beutekunst“ insgesamt neuen Schwung geben können.

Doch gerade hier haben Kanzleramt und Diplomatie der Hansestadt nach den Worten eines Bremer Verhandlers „schikanöse Daumenschrauben“ angelegt: Dies offenbar, um Russland nicht mit einer hochsymbolischen Geste entgegenzukommen, das Mosaik als künftige Verhandlungsmasse einsetzen zu können und der kleinen Hansestadt eifersüchtig keine „außenpolitischen“ Verhandlungserfolge zugestehen zu müssen, vermutet man an der Weser. So pocht das Auswärtige Amt nach Auskunft einer Sprecherin nachhaltig darauf, die ganze Angelegenheit „in den Gesamtzusammenhang“ der Rückführung der Kunstbeute einzubetten und auf kleine Schritte zu verzichten. Zudem lege man im Umgang mit Russland Wert auf „Kontakte auf höherer Ebene“. Schließlich könne man „nicht einfach irgendwas hin- und herfliegen“.

Dabei hatte alles so gut begonnen: Mit Finesse war das begehrte Mosaik, das als Landser-Beute an die Weser gekommen war, vor Monaten aus einem laufenden Gerichtsverfahren in Bremen als Beweismittel ausgekoppelt und die Erben mit Finanzhilfe der örtlichen Kaufmannschaft zufrieden gestellt worden. Russland konnte derweil dem Rücktransport der 101 Meis-terwerke, darunter Blätter Dürers und Goyas, ohne Gesichtsverlust zustimmen. Das 1993 von einem Anonymus der deutschen Botschaft übergebene millionenschwere Kunst-Konvolut war bei der Auslagerung schlicht von russischen Soldaten mitgenommen worden und fällt folglich nicht als staatlich beschlagnahmt unter die 1999 von der Duma nationalisierte Kriegsbeute.

Doch Deutschlands Botschafter in Moskau versperrte einem mit der Vorbereitung der Ausfuhr betrauten russischen Ministeriums-Experten den Zugang zu den Kunstschätzen. Russland hatte dem problemlosen Abtransport der Blätter nach Westen nicht nur längst zugestimmt: Zum sicheren Transport war sogar schon das Flugzeug des Ministerpräsidenten und die Begleitung des Stellvertretenden Kulturministers Pawel Choroschilow angeboten worden. „Früher bekam man das nicht aus Russland raus, heute nicht nach Deutschland rein“, wunderte sich ein Bremer Beobachter.

Ebenso sorgte Berlin flugs dafür, dass das in einem Geheim-Depot in Bremen gelagerte Bernsteinzimmer-Mosaik mit Ausfuhrstopp belegt wurde. In einem Schreiben aus der Hauptstadt wurde Zuwiderhandelnden gleich Freiheitsstrafe angedroht – das ironische Wort einer bevorstehenden „Kriegserklärung“ Berlins an die Hanseaten machte im vorweihnachtlichen Bremen die Runde. So konnte Bremens wackerer Regierungschef Scherf, der vergangenen Freitag bis zuletzt auf eine gemeinsame Erklärung seines Senats mit der Bundesregierung in dieser Sache gehofft hatte, vor der Presse nur bitter witzeln: Für die Rückgabe des Mosaiks nach Russland wolle er den angedrohten Knast gern auf sich nehmen.

dpa

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