„Werbung ohne Hirn“

■ Benetton-Fotograf Oliviero Toscani über den Horizont der deutschen Werbewirtschaft

taz: Was soll die neue Kampagne erreichen?

Toscani: Die Idee ist einfach: In Europa gibt es keine zum Tode verurteilten, keine „Death Row“. Das gibt es so nur in den USA. Und daher ist es gut, in einer Welt, die immer stärker amerikanisiert wird, dieses Problem anzupacken.

Also ein persönliches Anliegen?

Ich bin persönlich gegen die Todesstrafe und denke, dass auch in den USA eines Tages damit Schluss sein wird, es ist einfach kein Zeichen von zivilisierter Gesellschaft. Es ist eigentlich keine Frage, ob man Amerikaner oder Europäer ist, die Welt ist heute eine globale Angelegenheit. Und die Todesstrafe sollte eigentlich nirgendwo mehr existieren.

In Deutschland gab es schon im Vorfeld Kontroversen wegen der neuen Kampagne. Der ZAW kritisiert Sie äußerst scharf ...

Es ist eine Schande, dass die deutschen Kreativen im Jahr 2000 immer noch dumme Werbung machen, anstatt ihr Gehirn zu benutzen und etwas Interessanteres zu machen. Ich denke, sie sollten sich schämen. Sie drängen die Welt nur in Richtung Konsum. Sie sollten das Geld ihrer Kunden dafür einsetzten, etwas Intelligenteres zu machen.

Der ZAW wirft Ihnen vor, zynisch zu sein und die Todeskandidaten auszunutzen ...

Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wenn diese Art Kampagne zu enormen Verkaufserfolgen führen würde, würden auch die deutschen Werber sofort auf den Zug aufspringen. Ganz sicher. Da sind die selbst zynisch genug. Der ZAW will doch jetzt gegen etwas vorgehen, das zutiefst humanitär ist. Anstatt unsere Kampagne abzuwarten und zu sehen, ob das ein interessantes Experiment sein könnte, vielleicht sogar Konventionen der Werbung verändern könnte, machen sie das ganze Projekt sofort nieder. Sie wollen nicht gestört werden, sie wollen einfach mit ihrem verdammten Zeug wie seit Jahrzehnten weitermachen.

Welche Vision steht dann hinter Ihren Kampagnen?

Werbegelder sollen für ein echtes Anliegen, einen Cause, eingesetzt werden und gleichzeitig den Absatz erhöhen. Ich denke, dass ist kein Widerspruch. Man kann sehr erfolgreich Musik oder Filme machen und gleichzeitig eine Botschaft vermittlen. Natürlich ist Spielberg durch „Schindlers Liste“ reich geworden. Aber er benutzt doch nicht den Holocaust, um Geld zu machen.

Um diese Kampagnen zu entwickeln, arbeiten Sie sehr eng mit Benetton zusammen ...

Es füllt meine ganze Arbeit aus, schließlich bin ich für die gesamte Kommunikation des Unternehmens verantwortlich.

Gab es jemals einen Konflikt mit Benetton wegen einer Idee?

Wenn es solche Konflikte geben würde, säße ich nicht mehr hier. Ich arbeite seit 17 Jahren für Benetton, und nie gab es Probleme.

In Deutschland haben aber Benetton-Filialen gegen bestimmte Kampagnen protestiert, weil der Verkauf zurückging ...

Ja, aber da ging es gar nicht um die Werbung. Das war nur eine gute Ausrede. Es ging um einen alten Manager, und als der ausgetauscht war, lief der Laden auch wieder gut.

Der ZAW steht Ihrer Kampagne auf jeden Fall ablehnend gegenüber...

Okay. So what. Wird dann die Todesstrafe wieder eingeführt? Wo ist das Problem? Jedesmal, wenn man etwas Interessantes macht, finden sich eine Menge Feinde. Interview: stg