„Kinder wollen Schule, nicht Betreuung“

■ Elternvertreter: „Volle Halbtagsschule ist keine Mogelpackung“ – Die Konzepte sind genehmigt worden / CDU: Warum weiß Lemkes Behörde nicht, was an den Schulen los ist?

Die Eltern der Grundschulkinder von Bremens „vollen Halbtagsschulen“ sind sauer. „Der Kampf ist noch lange nicht ausgestanden“, sagt Marianne Bokelmann, Elternsprecherin der Schule an der Alfred Faust Straße. Was die Eltern derzeit erbost. Bildungssenator Willi Lemke hat im Dezember bei einem Schulbesuch festgestellt, dass „volle Halbtagsschule“ nicht eine verläßliche Betreuung bis 13 Uhr für alle Grundschulkinder bedeutet. Kurz vor Weihnachten gab es eine Umfrage der Bildungsbehörde an den 14 „vollen Halbtagsschulen“, Ergebnis: An den meisten Grundschulen endet die „volle Halbtagsschule“ für die 1. und 2. Klasse gegen 11.30 Uhr. Ein Runderlass von 1993, nach dem der Unterricht bis 13 Uhr zu gehen habe, wurde offenbar nicht umgesetzt.

Wusste die Bildungsbehörde das nicht? „Wir haben einen Maulkorb von der Bildungsbehörde. Wir dürfen eigentlich nichts öffentlich sagen“, erklärt die Schulleiterin an der Alfred Faust-Straße, Ute Schlüter. Aber dann redet sie doch: „Mich verwundert die Verwunderung des Senators“, sagt sie. Als von ihrer Schule vor Jahren der Antrag gestellt wurde, zusätzliche Lehrerstunden aus dem Programm „volle Halbtagsschule“ zu bekommen, damals habe sie ein Konzept vorlegen müssen. In diesem Konzept habe nichts von einer verlässlichen Betreuung bis 13 Uhr gestanden. Auf der Grundlage ihres Konzeptes sei ihr Antrag genehmigt wurden. Das müsse eigentlich in der Behörde bekannt sein.

40 Prozent der Kinder an ihrer Schule seien Ausländer oder Aussiedler mit Sprachproblemen, auch die Kinder von deutschen Eltern seien oft nicht schulfähig – feste Bezugspersonen und kleine Lerngruppen seien die einzige Chance, die Defizite in Kattenturm auszugleichen, sagt die Schulleiterin.

„Die Kinder wollen um 12 Uhr doch Mittagessen und spielen“, ein Unterricht bis 13 Uhr sei nicht zumutbar, sagt die Elternvertreterin: „Das schaffen die Kleinen doch gar nicht.“ Um Betreuung beim Obstsalat-machen gehe es nicht: „Unsere Eltern wollen Unterricht und keine Betreuung.“ An der Grundschule Alfred Faust-Straße hatte der Bildungssenator im Dezember eine besonders heftige Auseinandersetzung mit den empörten Eltern. Elternsprecherin Bokelmann hält seit dieser Begegnung nichts mehr von ihm: „Lemke – der redet sich doch dumm raus. Der kann doch keine richtige Antwort geben.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff hat in einem offenen Brief vom Bildungssenator Aufklärung verlangt, ob der Eindruck zutreffend sei, dass die Bildungsbehörde „nur lückenhaft“ wisse, wie die Praxis der „vollen Halbtagsschulen“ aussehe. Gleichzeitig will die CDU wissen, ob unter dem Schlagwort „verläßliche Grundschule“ die Betreuung bis 13 Uhr wirklich ab dem kommenden Schuljahr für alle garantiert werden könne. Es sei für die CDU eine „schmerzhafte Entscheidung“ gewesen, die „vollen Halbtagsschulen“ zu opfern. „Sollten sich die verläßlichen Zeiten nicht wirklich realisieren lassen, wäre es ein Fehler, das eine abzuschaffen, ohne das andere verbindlich in die Tat umzusetzen.“ Es sein ein „kaum verständlicher Missstand“, das bis heute kein Konzept für die „verlässliche Grundschule“ vorliege.

Die Elternvertreter an der Alfred Faust-Straße haben alle Eltern aufgefordert, bei der derzeitigen Abfrage des „Bedarfs“ nach Betreuung bis 13 Uhr das Kreuz zu machen – die Behörde hat zur Finanzierung der Betreuung darauf gesetzt, dass nur ca. die Hälfte der Eltern Bedarf für eine Betreuung anmelden. Bis Ende Januar müssen alle Schulen an die Behörde melden, wie viele Grundschulkinder im kommenden Schuljahr verläßliche Betreuung beantragen. K.W.