PDS-Abgeordneter soll vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Freke Over. Vorgeworfen wird ihm die Veröffentlichung eines Polizeifunk-Mitschnitts vom 1. Mai

Der Mann ist bereits vorbestraft. Eine Strafkammer des Landgerichts hat ihn wegen Hausfriedensbruch und Verleumdung zu 9.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll er nun mindestens eines weiteren Vergehens anklagt werden. Der Vorwurf lautet: Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz.

Aber der Mann heißt Freke Over und ist PDS-Abgeordneter. Vor einer Anklageerhebung müssen daher die Parlamentarier der Aufhebung seiner Immunität zustimmen. Und das geht seinen gewohnten bürokratischen Gang: Zunächst wird der Fall im Rechtsausschuss verhandelt, der sich vorher noch konstituieren muss. Erst dann befindet das Plenum über den Antrag der Staatsanwaltschaft.

Die Juristen beschuldigen den PDS-Abgeordneten, er habe Mitschnitte des Polizeifunks vom 1. Mai vergangenen Jahres veröffentlicht. Over beharrt auf seiner Unschuld: „Ein Protokoll der Mitschnitte wurde uns von Unbekannten zugespielt, wir haben ihn lediglich an Pressevertreter weitergegeben.“

Der 32-jährige Politiker vermutet hinter der Anklage einen politischen Racheakt. Aus dem von Over weitergegebenen Mitschnitt ging hervor, dass Polizeibeamte bei der Auflösung der 1.-Mai-Demonstration offenbar unverhältnismäßig gewaltsam und eigenständig vorgingen. „Die drehen total durch“, haben Polizisten über ihre Kollegen laut Protokoll gesagt.

Der PDS-Mann ist überzeugt, er habe mit der Weitergabe des ihm zugespielten Protokolls gesetzestreu gehandelt. Man könne nicht ihn als Überbringer der schlechten Botschaft haftbar machen. Auch nach Ansicht des Rechtsanwaltes und Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne) ist nach dem Fernmeldeanlagengesetz nur das Abhören oder Mitschneiden strafbar. Damit, betont Over, habe er aber nichts zu tun gehabt: „Ich war selbst Teilnehmer der Demonstration.“

Dennoch geht Over davon aus, dass im März der Beschluss des Abgeordnetenhauses ergeht und die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. „Die Mehrheitsverhältnisse sind nicht so, dass ich eine Ablehnung des Antrages erwarten kann“, sagte er gestern der taz. Der PDS-Mann kennt das Verfahren bereits aus eigener Erfahrung. In den etwas mehr als vier Jahren, die Over im Abgeordnetenhaus sitzt, wurde fünf Mal seine Immunität aufgehoben.

Neben der beabsichtigten Anklageerhebung läuft gegen den Mandatsträger noch ein weiteres Verfahren – wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Ende März hatte Over eine Spontankundgebung gegen die Geschäftsführung des Adlon-Hotels angemeldet, nachdem die Hotelleitung einer Gruppe von demonstrierenden Obdachlosen Hausverbot erteilt hatte. Die Polizei habe das Anliegen der Kundgebung jedoch missverstanden: „Man wirft mir vor, wir hätten gegen die Einstellung von Kältehilfe protestiert und deshalb keine spontane Aktion gemacht.“

Die Aufhebung von Overs Immunität hat die Staatsanwaltschaft für dieses Verfahren bisher nicht beantragt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte gestern dazu: „So weit sind die Ermittlungen noch nicht.“ Dirk Hempel