Vögeln und Holzhacken unter der Käseglocke

Die deutschen „Big Brother“-Container sind bezugsfertig. Nun hofft RTL 2 nur noch auf Zoff im Badezimmer und Sex im Dunkeln – pure Eintracht wäre Gift für die „Docu-Soap“

Köln (taz) – Kann sich noch irgendwer erinnern, wie euphorische Backfische einst Dr. Sommer von der Bravo beichteten, sie seien „zum ersten Mal mit einem Jungen intim“ gewesen. Wenn es diesbezüglich demnächst auch in Hürth vor der Toren Kölns ordentlich zur Sache gehen sollte, bis der Wohncontainer wackelt – den Verantwortlichen wird’s recht sein. Nur von „miteinander intim sein“ kann da nun wirklich nicht die Rede sein. Denn die zehn jungen Menschen beiderlei Geschlechts, die sich da freiwillig für 100 Tage auf 153 Quadratmetern zusammenpferchen lassen, haben vorher per Unterschrift auf jegliche Privat- und Intimsphäre verzichtet. Und das alles, damit wir ihnen beim Kartoffelnschälen, Duschen oder eben – sollte es sich so ergeben – beim Sex zusehen dürfen. Vor allem aber wird man ihnen endlos beim Reden zuhören können.

Dieser (Selbst-)Versuch in Sachen Leben unter den Bedingungen der totalen Kameraüberwachung nennt sich in offensiver Orwell-Frotzelei „Big Brother“, sorgte bekanntlich im holländischen Fernsehen Ende letzten Jahres für reichlich Furore und ist drauf und dran, sich für die Produktionsfirma Endemol zum veritablen Exportschlager zu entwickeln.

Hier zu Lande startet das Spektakel am 1. März bei RTL 2. Was dessen Geschäftsführer Josef Andorfer bei der Vorstellung der teutonischen „Big Brother“-Version am Mittwoch in Köln prompt ins Schwärmen brachte. Das Format passe, weil „jung, authentisch, frech“, wunderbar zu seinem Sender. Wobei es faktisch natürlich so lief, dass großen Konkurrenten wie RTL und Sat. 1 das Format irgendwie noch zu heiß war und sie Image-Schäden befürchteten: RTL 2 muss sich bekanntlich um solche Schäden nicht scheren.

Die zehn WG-Mitglieder treffen erst in dem als Wohnung dekorierten Fernsehstudio zum ersten Mal zusammen. Schon dabei werden sie von 28 Kameras überwacht, 4 davon mit Infrarot-Technik für Schlafsaal-Action im Dunkeln. Kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitungen, kein privates Telefon steht den Mitgliedern der Medien-WG zur Verfügung. Frischluft gibt’s nur im umzäunten Freigehege. Wer das Areal verlässt, für den gibt es keinen Weg zurück – und damit auch keine Chance, am Ende den Hauptpreis von satten 250.000 Mark einzusacken. Nach dem Prinzip der „zehn kleinen Negerlein“ dürfen die Zuschauer alle zwei Wochen einen Kandidaten per TED rauswerfen.

Und weil es den Brüdern hinter „Big Brother“ über weite Strecken doch etwas zu kuschelig zuging, soll die Besatzung der deutschen WG aus möglichst unterschiedlichen Typen bestehen. Zur Verschärfung hat Produzent Rainer Laux für das künstliche Leben unter der Hightech-Käseglocke obendrein noch das Motto „Back to the Basics“ ausgegeben.

Da heißt es dann Holz hacken, Brot backen und im Garten Gemüse ernten. Wenn die Holländer sich mit irgendwas auskennen, dann schließlich mit Gewächshäusern. Ist das nicht völlig pervers? Aber sicher doch. Hubert Hottner