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Ölige Grüße aus der schönen Bretagne

■ Die „Pallas“ ist tot – es lebe „Erika“? / Aber alles, was der Öltanker „Erika“ in der Bretagne gerade verseucht hat, verseuchen wir in Deutschland jeden Tag ein bisschen besser

Den Anruf aus Frankreich beantwortet Fritz Rabenstein von der Seehundaufzuchtstation in Norddeich/Ostfriesland kurz und knapp: „Das ist Tierquälerei.“ Umweltfreunde aus der Bretagne fragen nach, ob einige hundert durch die Havarie des Öltankers „Erika“ in der Bretagne ölverseuchte Vögel in Ostfriesland aufgepäppelt werden können. „Nein, die sterben sowieso alle“, weiss Rabenstein.

Weniger zimperlich ist die niederländische Vogelschutzstation in Arnheim. 600 verseuchte Seevögel werden aus der Bretagne in die Niederlande verfrachtet. Allein 250 Tiere sterben schon beim Transport. Trotzdem hat auch der Naturschutz-Bund Niedersachsen (NABU) angeboten, verölte Tiere aus Frankreich in der Vogelschutz-Station Rastede pflegen zu lassen. „Man muss doch was tun“, meint NABU-Mitarbeiter Matthias Bergmann. „Ein ähnlicher Unfall an der Nordseeküste würde viel mehr Tiere in Mitleidenschaft ziehen, dann wären wir auch froh über jede Hilfe“, so der Naturschützer. Inzwischen ist der Vogeltransfer geplatzt – die Tiere waren nicht mehr transportfähig.

Wenn Seevögel in der Nordsee zu verrecken drohen, verzweifelt Fritz Rabenstein in der ersten Reihe. Gerade werden dem Pfleger in der Seehundaufzuchstation in Norddeich/Ostfriesland zwei verklebte Lummen aus Borkum angekündigt: „Ölverseuchte Vögel haben in der Regel keine Überlebenschance“, so Rabensteins Fazit aus langjähriger Erfahrung. Vögel putzen sich, um ihr Gefieder gefettet zu halten. Das Fett weist Wasser ab und schützt die Tiere vor dem Ertrinken und Erfrieren. „Die äußere Verschmutzung ist nur ein Faktor. Die Vögel atmen beim Putzen die Öldämpfe ein. Der Teer verätzt ihre Gedärme, die sehen aus wie Lakritzstangen. Über 90 Prozent der Tiere, die nach Ölverschmutzungen gewaschen werden, verrecken“, resigniert Rabenstein.

Reinhard Schopf ist Vogelwart auf der unbewohnten Vogelinsel Memmert. Die liegt neben der Ferieninsel Juist. Am Horizont liegt die weltweit befahrenste Schifffahrtsstraße. Seit 30 Jahren räumt Schopf auf seinem Sandflecken im Meer angeschwemmte Tierkadaver und Müll weg. „Wir brauchen das Öl aus der Bretagne gar nicht. Wir haben hier täglich unsere eigenen Katastrophen.“ Öl von Bohrinseln und illegalen Tankausschwemmungen vorbeifahrender Schiffe vergiften laufend Wasser und Tiere. Intensive Nutzung der Küsten durch Landwirtschaft und Tourismus engen den Lebensraum der Wattvögel immer weiter ein. „Wenn die Kameras surren, geben die Helfer ihr Letztes um verschmierte Tiere zu retten. Das beruhigt unser Gewissen. Umweltschutzverbände drücken dann auf die Tränendrüsen und buhlen um Spenden. Wenn die Kameras abgeschaltet werden, verrecken die Tiere und alles bleibt beim Alten“, ärgert sich Schopf.

Klaus Huber vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg sieht die Ölpest in der Bretagne von der stromlinienförmigen Seite. „Wenn Wind und Wetter mitspielen, bekommen wir den Öldreck von der „Erika“ höchstens in ein paar Monaten an die deutschen Nordseeküste.“ Ganz sicher ist sich der Wissenschaftler allerdings nicht. Denn die Ölplaquen vor Frankreichs Küste sind bis zu einem halben Meter dick. Während dünnere Ölflächen auf dem Wasser teilweise verdunsten oder verklumpen, zu Boden sinken oder an der Küste angeschwemmt werden, bleiben Ölteppiche von mehreren Zentimetern Dichte erhalten und können biologisch nicht abgebaut werden. Die schwappen dann weiter übers Meer. Damit wäre auch der Öltourimus für verseuchte Seevögel gesichert.

„Es ist leider so, dass ein Unfall immer auch ein Chance ist, auf Missstände aufmerksam zu machen“, meint Helmut Klug von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Ostfriesland und Papenburg zur taz. So fordert die IHK zum Schutz von Meer, Küste und regionaler Wirtschaft einen verbesserten Schutz vor Ölunfällen: Klare Kompetenzen für den Notfall, sichere Schiffe, strengere Havariegesetze, sogar eine Verlagerung der internationalen Schiffahrtswege schlägt die IHK vor. „Das sind die üblichen Forderungen nach jeder Katastrophe“, meint Reinhard Schopf. Und: „Bis zum nächsten Unfall bleibt alles beim Alten. Die tägliche, schleichende Katastrophe will nämlich niemand wahrhaben.“

Allerding boomt in Frankreich derzeit das Geschäft mit der Ölpest. Geschäftsleute werben mit ans Herz gehenden Bildern für ihre Produkte. Der Chef einer Modehauskette, Francois Pinault, patschte als erster publikumswirksame ins Öl. „Es geht nicht ums Geld, dies ist uns eine Herzensange-legenheit“, ließ der Modezar treuherzig verkünden und spendierte den freiwilligen Helfern in Belle-Ile, Houat und Hoedic Unterkunft und Verpflegung. Während die freiwilligen Helfer mit Schüppen, Spaten und Schabern die Ölkruste von den Felsen zu kratzen versuchten, bügelte Pinault das Image seiner Modefirma auf. Selbst eine Ölpest scheint sich vermarkten zu lassen, um Herz und ökologische Gesinnung zu demonstrieren.

Mittlerweile versuchen diverse französische Unternehmen mit rührenden Werbeanzeigen vom wabernden Öl an der Küste zu profitieren. Eine Bank hatte sogar ihre Filialen dicht gemacht und die Angestellten werbeträchtig an den Strand geschickt.

Nur der Ölkonzern TotalFina, verantwortlich für den Zusammenbruch des Öltankers „Erika“, verpasste dagegen seine Chance, den Image-Schaden abzuwenden: Zwar zahlt er mit rund zwölf Millionen Mark mehr als die eifrigen Werber. Aber die Zusage kam viel zu spät und widerwillig, um aus den Negativschlagzeilen rauszukommen. Thomas Schumacher

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