Kommentar
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Kein gerechtes Modell  ■ Mehrarbeit kann nur das letzte Mittel sein

SPD-Schulsenator Klaus Böger ist in der Klemme. Das haushaltspolitisch Notwendige und das bildungspolitisch Wünschenswerte lassen sich kaum unter einen Hut bringen: Beim Personalabbau im öffentlichen Dienst können die Lehrer nicht ausgespart werden. Wer dies fordert, ruft sofort Innensenator Eckart Werthebach (CDU) auf den Plan. Ihm sitzen die Polizeigewerkschaften im Nacken, die gegen einen weiteren Personalabbau bei der Polizei wettern. Falls die SPD bei den Lehrern einknickt, wird die CDU auch bei der Polizei nicht hart bleiben können und wollen. Die Eckdaten des Haushaltsentwurfs 2000 wären Makulatur. Die Große Koalition hätte ihr Klassenziel gleich zu Anfang verfehlt.

Wer unter diesem Sparzwang einen bildungspolitischen Quantensprung erreichen will, kann dies nur mit Hilfe der Lehrer erreichen. Wer sie zu einer zusätzlichen Pflichtstunde verdonnert, sollte daher zuvor alle Alternativen prüfen. Mehrarbeit für Lehrer muss das letzte Mittel bleiben.

Die flächendeckende Einführung einer zusätzlichen Pflichtstunde ist doppelt ungerecht: sie trifft diejenigen Lehrer härter, die arbeitsintensive Fächer wie Deutsch oder Geschichte haben. Sie arbeiten schon jetzt an der Obergrenze der Belastbarkeit. Es trifft auch die Pädagogen härter, die nicht überwiegend den Mittelschichtsnachwuchs unterrichten, sondern an sozialen Brennpunkten tätig sind. Wer von der Schule fordert, sie soll soziale Defizite beheben, muss dafür auch die Rahmenbedingungen schaffen.

Eine gerechte Pflichtstundenberechnung, die nach Fächern und sozialer Zusammensetzung der Klassen differenziert, tut Not. Hier hätten schon längst Konzepte auf dem Tisch liegen können. Zu prüfen wäre auch, ob die Mehrarbeit nicht wenigstens befristet werden kann. Angesichts sinkender Schülerzahlen ließe sich der Engpass auf diese Weise überbrücken.

Die eingespielten Empörungsrituale der Gewerkschaften führen allerdings auch nicht weiter. Wer damit droht, dass eine Stunde Mehrarbeit die Motivation der Lehrer auf Jahre untergräbt, wird der Lage nicht gerecht. Erhöhter Einsatz wird heute in jedem Job gefordert. Das gilt auch für Lehrer.

Dorothee Winden