„Deshalb nicht zurücktreten“

■ NRW-Flug-Affäre startet wieder durch: Finanzminister hatte doch eine Freundin auf seinen Adria-Flügen dabei, und Copilot bestätigt: Razzia-Tipp kam von Schleußer

Berlin (taz) – Der nordrhein-westfälische SPD-Finanzminister Heinz Schleußer (63) stürzt immer tiefer in die Flug-Affäre der NRW-SPD. Erst musste er gestern notgedrungen zugeben, bei seinen „Dienstreisen“ mit der WestLB an die Adria mindestens zweimal eine junge Frau dabei gehabt zu haben. Und wenig später sagte Lars Neitzke, ein Copilot der früheren WestLB-Flugbereitschaft PJC, aus, sein inzwischen verstorbener Chef Peter Wichmann habe ihm erzählt, die WestLB habe wegen einer bevorstehenden Steuer-Razzia einen Tipp bekommen.

Neitzke will ein Gespräch des Ehepaares Peter und Sabine Wichmann mitgehört haben, in dem sich beide einig waren, der Tipp könne nur von Schleußer gekommen sein. Damit bestätige er entsprechende Aussagen von Sabine Wichmann vor den Untersuchungsausschuss des Landtages. Erst in der vergangenen Woche hatte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren in dieser Sache gegen Schleußer eingestellt.

Schleußer steht seit Wochen im Verdacht, von der WestLB finanzierte Flüge für Privatreisen genutzt zu heben. Dabei sei nicht nur WestLB-Chef Friedel Neuber gerne mitgeflogen. Auch ebenjene junge Frau, deren Existenz Schleußer lange leugnete. Dagegen hatte Sabine Wichmann, Witwe des PJC-Chefpiloten, in der letzen Woche vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, Schleußer sei Anfang der 90er drei- bis viermal in Begleitung einer deutlich jüngeren Frau mit PJC nach Jugoslawien geflogen.

Gestern nun ergänzte Schleußer seine bisherigen Aussagen: Der erste Flug in Damenbegleitung sei eine Dienstreise mit WestLB-Chef Neuber nach Belgrad und Split gewesen. Anschließend habe er vor Ort seinen Urlaub angetreten. An der Adriaküste ankert die Segeljacht des Finanzministers. Beim zweiten Flug sei er nach der Ermordung von Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder im April 1991 in Split abgeholt worden.

Dennoch bleibt Schleußer bei seiner Darstellung, beide Flüge seien dienstlich erfolgt. Eine private Begleiterin sei „kein Indiz für den dienstlichen oder nichtdienstlichen Charakter einer Reise“, sagte der Finanzminister. Sein Schweigen begründete er mit dem Schutz der Privatsphäre seiner Begleiterin. Die zusätzlichen Flugkosten werde er umgehend begleichen.

Ministerpräsident Wolfgang Clement verteidigte Schleußer: Er habe Fehler gemacht, die zu Missverständnissen geführt hätten. Aber: „Deshalb muss man nicht zurücktreten.“ Er halte an Schleußer fest.

Markus Wierz/ tde