Das Horrorszenario wird Wirklichkeit

■ Kultursenator Schulte (CDU) hält die Prognosen der Kulturmanagement-Gesellschaft KMB für „beängstigend“/ Trotzdem will er dem Senat dieses Sparszenario zur Entscheidung vorlegen

Kultursenator Bernt Schulte gab sich geschockt: „Die Zahlen sind beängstigend – auch für mich“, kommentierte der CDU-Politiker im TV-Regionalmagazin „Buten & Binnen“ das Horrorszenario der Kulturmanagement-Gesellschaft KMB. „Wir müssen jetzt alles tun, so viel wie möglich einzusparen, ohne eine Situation herbeizuführen, dass Kultureinrichtungen reihenweise schließen“, sagte der Senator. Doch aus einer unter seiner Verantwortung erstellten Senatsvorlage, die der taz vorliegt, geht das genaue Gegenteil hervor. Nach dieser Vorlage will Schultes Verwaltung das KMB-Szenario, nach dem Kultureinrichtungen im Förderwert aller Bremer Museen geschlossen werden müssten, auch umsetzen.

Wie berichtet, hat die KMB die Auswirkungen der Finanzplanung auf die Kultur bis zum Jahr 2009 hochgerechnet (vgl. taz vom 25. Januar). Demnach steigt das Defizit im Kulturetat von jetzt zehn Millionen Mark schon im Jahr 2005 auf 28 Millionen Mark. Selbst durch einen „Leistungsverlust“ – sprich: massive Betriebsschließungen und einen umfangreichen Stellenabbau – kann diese Lücke nur zum Teil geschlossen werden, heißt es in dem Papier. Die KMB hat darauf hingewiesen, dass dieses Szenario selbst kein Kürzungsvorschlag sei. In der Senatsvorlage wird sie aber genau dazu verarbeitet.

Die Vorlage selbst ist ein Glanzstück des Orwell'schen Neusprech. Zum Teil mit Textbausteinen aus älteren Vorlagen gespickt, turnen die AutorInnen den Spagat zwischen Befriedungs- und Abwicklungsszenarien. Sie folgen dem Senatsbeschluss von Anfang Oktober 1999, nach dem die „erforderlichen Einsparungen im Kulturbereich erreicht“ und den Einrichtungen gleichwohl „längerfristige Kontrakte – mit entsprechender Planungssicherheit“ angeboten werden sollen. Nach der Lektüre der Vorlage stellt sich allerdings die Frage, wer noch übrig bleibt, um in den Genuss dieser Sicherheit zu kommen.

Erneut weist die Vorlage aus der Kulturbehörde darauf hin, dass „radikale Maßnahmen“ dem Anliegen des Senats widersprechen, eine breite Beteiligung von Kulturschaffenden am Kulturentwicklungsplan herbeizuführen. Sie würden, so heißt es weiter, eine „Protestlawine“ auslösen und „juristische Auseinandersetzungen“ nach sich ziehen, die real erst nach zwei bis fünf Jahren Finanzierungseffekte (sprich: Einsparungen) brächten. Um das zu vermeiden, soll „wenigstens mittelfristig (ab 2002) ein nachhaltiger Umbau der Kulturlandschaft mit Einspareffekten erzielt“ werden. Das Ziel: Die Anpassung des Kulturetats an die Finanzplanung.

Durch Einnahmeerhöhungen, Betriebsoptimierungen und Privatisierungen lassen sich demnach insgesamt bis zu 5,2 Millionen Mark einsparen. Dazu gehört eine Verlagerung oder Privatisierung von bis zu 180 der rund 1.100 Stellen im Kulturbereich. Doch der größte Schritt zu diesem Ziel ist laut Senatsvorlage nur durch einen „Personalabbau (bei vollem Leistungsverlust)“ in einer Größenordnung von 12 bis 15 Millionen Mark oder bis zu 150 Stellen zu machen. „Sie bedeuten einen immensen Einschnitt in die Kulturlandschaft Bremens“, lässt das Kulturressort den Senat und indirekt auch das Parlament wissen. Und wo man schon mal beim Warnen ist: „Mittel- und langfristig werden Kostensteigerungen im Tarifbereich und in den Betriebskosten die Einspareffekte voraussichtlich abschwächen, wenn nicht sogar aufheben.“ Die Folge: Insgesamt müssten weitere 80 Arbeitsplätze abgebaut und weitere 110 Stellen verlagert werden.

Die Vorlage wurde vor der Senatssitzung am Dienstag zurückgezogen. Sie soll aber – dem Vernehmen nach mit nur geringfügigen Änderungen – am 1. Februar vom Senat beschlossen werden. Dazu gehört auch die verschobene Kündigung des Vertrauensschutzes für „kleinere“ Einrichtungen wie die Shakespeare Company.

Christoph Köster