Die Allesrichtigmacherin

Anke Engelke (35) fühlt sich manchmal wie 17 – und ungerecht behandelt. Damit ist sie erfolgreich. Und Mutter. Ab heute sogar mit eigener Sitcom ■ Von Christoph Schultheis

Man kann über Anke Engelke sagen, was man will: etwa, dass sie keine Plätzchen backen, aber Stevie Wonder mag; dass sie wegen der falschen Pille pummelig wurde und wann genau schwanger; dass sie als zweite Tochter eines Lufthansa-Streckenmanagers und einer Fremdsprachen-Korrespondentin vor 35 Jahren in Montreal geboren, aber hernach in Rösrath bzw. am Radio-Luxemburg-Mikro und im ZDF-Ferienprogramm groß geworden ist. Aber das alles wissen wir doch schon.

Wenn man will, kann man Anke Engelke selbstredend auch mit Carolin Reiber vergleichen. Aber das überlässt man besser anderen. Denn erklären will man das nicht.

Lieber kann man da Anke Engelke mit Helmut Kohl vergleichen. Und das nicht nur, weil Karl Dall sie im aktuellen Spiegelreporter auf Platz 2 der „Komiker des Jahrhunderts“ gestellt hat. Aber da steht sie immerhin nur deshalb zwischen Chaplin und Erhardt, weil Dall seine Bestenliste alphabetisch sortiert hat.

Man kann Anke Engelke auch mit Ally McBeal vergleichen und sagen, sie sei – wie jene – eine Frau um die 30, dargestellt als neurotisches Mädchen in der Spätpubertät, die sich manchmal wie 17 fühlt und ständig ungerecht behandelt; eine durch und durch Gestörte, die kaum eine Frau kennt, die nicht alles will: Karriere und Kinder, Schönheit und Liebe; eine, die alles verkörpert, wofür die Frauenbewegung gekämpft hat: die klug ist, ihren Job macht, gut aussieht und trotzdem ständig in der Krise ist. Aber das hat Anke Engelke in einer Spiegel-Kulturbeilage schon selber getan. Wortwörtlich.

Man kann Anke Engelke natürlich trotzdem mit Ally McBeal vergleichen und sagen, sie sei – wie jene – postfeministisch: unverbissen-unverkrampfte Ich-Sagerin also, bewundernswerte Allesrichtigmacherin und passgenauer Konsens für eine originelle Jetztzeit. Und dann hinzufügen, das achselzuckende Beharren auf individualistischen Entscheidungen (mein Job, meine Kinder, meine Krise – und oder oder) und der Leichtigkeit des Seins als Einzelfall übersehe den naturgemäß längeren Atem des Konservativismus. Aber weil an dieser Stelle zu Ally (Di., 22.15 Uhr, Vox) oft genug ganz anderes, Freundlicheres, geschrieben stand, müsste man erklären, woher der Sinneswandel kommt (und verschiebt’s besser auf ein andermal ... ). Außerdem ist Ally Amerikanerin, kinderlos, Single – und TV-Fiktion. Anke Engelke nicht.

Man kann sich erinnern, wie Anke Engelke im August 99 WDR-Sonntagsgast bei „Zimmer frei“ war: ernst und albern und unprätentiös und überraschend „Scheiße“ sagend, durch und durch personality und einfach klasse, während sie sinngemäß erzählte, dass der Focus, der auf ihr liege, verständlich, aber völlig ungerechtfertigt sei und der Trubel natürlich verlockend und dass man ganz schnell bescheuert werden könne und abheben usw. Aber seitdem sagte sie dasselbe auch dem Alfred Biolek oder Harald Schmidt oder der Vera am Mittag oder egal – und inzwischen steht sogar im hauseigenen Promointerview der Sat.1-Presseinfo: „Der Focus, der auf mir liegt, ist verständlich, aber völlig ungerechtfertigt (...) Trubel (...) bescheuert (...) abheben usw.“

Man kann sich dann natürlich auch erinnern, wie man Anke Engelke das erste Mal persönlich getroffen hat: Wie man überhaupt immer man schreiben kann, wenn man ich meint, oder „Signora Kontrolletti“, wenn man Anke Engelke meint, oder eigentlich bei der ersten Begegnung eine Grippe hat, anschließend jedoch noch 300 Zeilen für die Süddeutsche Zeitung schreiben muss und nach dem tollen Abend sogar Ankes neue Sitcom komisch finden und Fred Kogel findig ... Aber lassen wir das. Auf dieser Sat.1-Programmpräsentation jedenfalls, 1998 oder 97, ging sie raus zum Buffet, man selbst rein zum Bier (oder umgekehrt). Da sagte sie dann zwar nicht: „Ich habe ein Kind. Was, wenn mich ein Absturz bestätigt? Sie ahnen vielleicht, was mir durch den Kopf geht, wenn ich nachts nach Hause komme und meine schlafende Tochter sehe.“ Aber das hätte man schon damals nur kitschig gefunden, und sie selbst zu stark geschminkt.

Man kann das ganze Hin und Her natürlich auch abkürzen.

Dann muss man einfach nur weitersagen, dass sogar Ankes Management sie augenblicklich für „überpräsent“ erklärt. Und hoffen, dass bittschön keiner denkt, das täte man nur aus Enttäuschung – oder besser gesagt: aus Enttäuschung darüber, selbst keinen aktuellen Vis-à-vis-Termin ergattert zu haben wie alle anderen.

Doch zum Glück startet sie ja heute um 21.15 Uhr die neue Sat.1-Comedy-Serie, die „Anke“ heißt, weil Anke die „Anke“ und „Anke“ hinter den Kulissen ihrer Talkshow spielt, und damit passenderweise ein Genre persifliert, das sich ebenfalls in der Wiederholung des Originellen längst aufgerieben hat. Wollen Sie mal reinhör’n? „(...) Für mich klang das eher wie ein Magendurchbruch. – Das hab ich über die neue Platte von Mariah Carey auch gesagt. – Also ich weiß echt nicht, was du gegen die hast. – Die ist größer als ich, die ist wesentlich reicher als ich, die ist wesentlich berühmter als ich, und sie kann besser singen. Das reicht für ihre Aufnahme in die Liste der Frauen, die man besser nicht erwähnen sollte. – Ach, da wir grad beim Thema sind: Deine Mutter hat angerufen. – Meine Mutter? – Ja, sie kommt Donnerstag. – Hierhin? – Ja. – In die Sendung? – Ja. – Meine Mutter? - Hat sie gesagt. – Ach, du Scheiße! (...)“ Die ganze Sendung dauert dann rund hundertmal so lang. Da kann man sagen, was man will.