Eine Kläranlage für Herrn Schäubles Seele

Wie ein „Emotions-Coach“ die CDU-Spitze betreuen würde – wenn sie es sich leisten könnte

Zuerst verspürte er sein Talent, Leute gefühlsmäßig aus der Reserve zu locken. Dann besuchte er Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und Rhetorik. Nebenbei machte er Abitur. Heute berät Giso Weyand kleine Unternehmer und „Topmanager aus der Automobilbranche“, die Probleme mit ihren Gefühlen haben. Emotions-Coach nennt sich der 20jährige aus Limburg. Am liebsten würde er Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und der gesamten CDU aus der Krise helfen.

taz: Welcher Stresstyp ist Frau Merkel?

Giso Weyand: Sie macht sich wesentlich mehr Gedanken, als sie nach außen preisgibt. Ich glaube, sie schläft nicht sehr gut. Ihre Körpersprache ist sehr emotional, aber sie versucht alles zurückzuhalten.

taz: Sie schluckt viel, wenn Schäuble spricht.

Das zeigt, dass sie ihre Gefühle runterschluckt. Aber sie ist sehr emotional. Sie spricht viel mit der linken Hand. Leute, die die linke Hand stark bewegen, denken mit der rechten, emotionalen Gehirnhälfte. Das machen Frauen häufig.

Was sollte Frau Merkel tun?

Sie könnte mehr Betroffenheit zeigen.

Sollte sie weinen?

Zwischen Heulen und Kalt-Dasitzen gibt es noch viele Möglichkeiten. Die Politiker könnten doch sagen: Ich bin persönlich schwer getroffen von dem, was in meiner Partei passiert. Aber da sitzt Schäuble im Bundestag und sagt „Entschuldigung“ und im nächsten Satz: Aber der Herr Rau mit seiner Flugaffäre. Da versucht Schäuble nur etwas zu rechtfertigen. Im Nachhinein fertigt er sich das Recht. Das ist keine echte Betroffenheit.

Aber müssen Politiker nicht den Coolen mimen?

Wenn man Herrn Schäuble schwitzen sieht, weiß man, wie sehr ihn alles mitnimmt. Auf der anderen Seite sagt er: Ich hab nichts falsch gemacht. Da ist er nur noch rational. Wer so arbeitet, der ist unglaubwürdig als Politiker.

Was können Merkel und Schäuble gegen ihren Stress tun?

Man kann da nicht sagen: Wir machen eine tolle Entspannungstechnik und schon ist der Stress weg. Stress entsteht immer durch Unklarheit. Wenn Sie einen solchen Konflikt haben, auf der einen Seite was zu fühlen und das Entgegengesetzte verkaufen zu müssen, sind Sie in sich völlig zerrissen. Wenn Frau Merkel sich aber fragt: Was hast du in der Situation gefühlt, dann hat man für sich eine andere Klarheit. Und dann lässt der Stress nach.

Zu welchen Anti-Stress-Tricks raten Sie?

Frau Merkel oder Herr Schäuble sollten sich einen halben Tag zurückziehen. Dann sollten sie jeden Tag ihre Gefühle und Ansichten aufschreiben. Meine Methode nennen ich „Kläranlage des Geistes“. Man setzt sich eine Viertelstunde hin und schreibt alles auf, was einem durch den Kopf geht, ohne Unterbrechung. Wenn einem nichts einfällt, schreibt man: Mir fällt gerade nichts ein. Das muss man alles runterschreiben: eine Viertelstunde lang.

Das wirkt?

Ja, in dem Moment, wo man assoziativ schreibt, kann man sich nicht mehr selbst betrügen. Und wenn sich Frau Merkel das nachher anschaut, wird sie noch mehr Klarheit darüber bekommen: Was bin ich und was gebe ich nach außen vor.

Klingt gut, wie oft muss Merkel das machen?

Ein-, zweimal täglich sollte sie sich hinsetzen. Und zwei oder drei Tage später sollte sie das Aufgeschriebene noch einmal rekapitulieren. Da kommen auch noch mal interessante Gedankengänge.

Wenn die CDU Sie in die Parteizentrale holen sollte, wie viel Geld müsste sie bereithalten?

Ich werde nicht nach Stunden bezahlt, sondern nach Aufgabe. Die angesprochenen CDU-Politiker sind ja alles Führungspersonen. Die kann man nicht in der Gruppe beraten. Für Einzelgespräche und deren Vorbereitung würde ich je nach Aufwand zwischen 3.000 und 8.000 Mark am Tag berechnen. Ich bin ja nur Emotionsexperte. Wenn ich mich mit einem Rhetoriktrainer abstimmen müsste, würde es teurer.

Interview: Annette Rogalla