Bürgerschafts-Lyrik
: Jetzt auch noch das Ausreden-Recycling

■ Fraktion liefert SPD und CDU eine Auswahl von Standard-Ablehnungen

Die Grünen sind doch wirklich unverbesserlich: Nach Flaschen, Babywindeln und Butterbrotpapier sollen die Bremer jetzt auch noch ihre Ausreden wiederverwerten. Mit gutem Beispiel müssen natürlich die Volksvertreter vorangehen, vor allem die der großen Koalition. Bisher haben die sich für jeden grünen Antrag in der Bürgerschaft einen neuen Grund einfallen lassen, warum sie ihn leider ablehnen müssen. Unfug!, sagen die Ökologen, Energieverschwendung! Damit soll jetzt Schluss sein.

Zur ersten Bürgerschaftssitzung im neuen Jahr bedachte die grüne Fraktion daher alle KollegInnen der großen Koalition mit „Handreichungen für Koaliti-onsabgeordnete“ zum Thema „Wie lehne ich grüne Anträge ab?“. Darin haben sie ihre Lieblingsablehnungen von eigentlich durchaus konsensfähigen Anträgen zusammengestellt, die sie aus den Reihen der Parlamentsmehrheit auch in Zukunft gern wieder hören würden.

Für den Satz „Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil...“ finden sich in dem grünen Kurz-Info verschiedenste parlamentserprobte Fortsetzungen – für jeden Abgeordneten ist etwas dabei. Etwa für „Freunde des richtigen Zeitpunktes“: „weil es der falsche Zeitpunkt ist“ (Catrin Hanken, CDU). Oder für Gremienfreunde: „können wir alles in der Deputation diskutieren“ (Dieter Focke, CDU). Oder „für Pfadfinder“: „Nicht weil Inhalt und Ziele falsch sind, sondern weil der Weg ein unrichtiger ist“ (Carsten Sieling, SPD). Häufig ließen die Koalitionäre keinen Zweifel an ihrer Sympathie für die grünen Initiativen: Wolfgang Jägers von der SPD sagte einmal „das können wir mitmachen, das interessiert uns auch. Aber leider ging es einmal wieder nicht“ und sein Parteifreund Horst Isola bedauerte bei anderer Gelegenheit: „Leider war das im Koalitionsvertrag nicht durchzusetzen“.

Manchmal waren die Anträge der Grünen offenbar auch einfach nicht radikal genug: Über den Grünen-Antrag zur Informationstechnologie meinte Jörg Jäger (CDU), es sei „nicht falsch, was drinsteht, es ist nur nicht weitreichend genug“ und in der Debatte über die Fahrrad-station fand seine Fraktionskollegin Klara Schreyer: „Der Antrag der Koalition ist weitreichender, wir denken auch an Behinderte und alte Menschen, Sie nicht.“

Auf unnachahmlich direkte Weise bringt immer wieder der stellvertretende CDU-Fraktionschef Michael Teiser das Verhältnis von Regierung und Opposition auf den Punkt: Mal heißt es launig „das ist das Rollenspiel hier, dass wir Ihren Antrag trotz leichter Sympathie nicht mitmachen können“, ein andermal einfach nur lakonisch „lehnen wir naturgemäß ab“.

Die Adressaten nahmen die Zusammenstellung der Grünen weitgehend mit Humor auf. Der – nicht zitierte – Fraktionschef Jens Eckhoff dankte sogar artig im Namen der CDU. Erfolg zeitigte die Aktion indes noch nicht. Die Abgeordneten ringen auch im Jahr 2000 weiter um neue Stilblüten. Für die SPD ließ Barbara Wulff wissen, ihre Fraktion könne einen grünen Antrag in jedem Punkt unterschreiben, lehne ihn aber ab, weil der Senat noch kein Konzept vorgelegt habe. Ein Genosse aus der letzten Reihe fügte hinzu, er habe zwar nicht verstanden warum, lehne den Antrag aber ab.

Mit diesen Beiträgen haben sie sich bereits für die Aufnahme in die nächste Ausgabe der „Handreichungen“ qualifiziert. Damit wollen es die Grünen der Mehrheit noch ein bisschen einfacher machen: Die Begründungen sollen durchnummeriert werden, so dass die Abgeordneten statt des ganzen Satzes nur noch die Nummer sagen müssen. Wie wäre es mit Nummerntafeln zum Hochhalten?

Jan Kahlcke