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Modernisierungsdruck ■ Die Grünen müssen sich neu erfinden

Als grüne Metropolenpartei wollen sich die Grünen künftig profilieren. Aber was heißt das? Noch sind die Vorstellungen recht vage. Das grüne Berlin ist liberal, weltoffen und multikulturell. So weit der Anspruch.

Doch die Grünen selbst sind noch weit von ihrem Anspruch einer Metropolenpartei entfernt. Mental ist die Partei immer noch im Kreuzberger Hinterhofambiente verwurzelt. Das engt den Blick ein und begrenzt das Denken.

Zehn Jahre nach der Einheit ist die Partei immer noch von der Gründergeneration der späten 70er-Jahre geprägt. Die rebellische Alternative Liste aus Westberliner Mauerzeiten bekämpfte den politischen Muff in der eingeschlossenen Stadt. Doch nicht nur der Elan der Gründerjahre ist verflogen. Als Anti-Partei gegründet, sind die Grünen nicht von Verkrustungen verschont geblieben, die sie an den Altparteien stets kritisiert haben. Es fehlen neue Ideen, neues Personal. Es fehlt der Esprit. Der 20- bis 30-jährigen Internet-Generation muss diese Partei hoffnungslos verstaubt erscheinen.

Über eine Schwachstellenanalyse sind die Grünen noch nicht hinausgekommen: die Jugend rennt davon, der Osten kann mit den Grünen nichts anfangen, die Parteistrukturen müssen schlagkräftiger werden und von einigen grüne Lebenslügen muss sich die Partei verabschieden. Nur ein Beispiel: Das grüne Ideal der Multikulturalität hat sich längst als Chimäre entpuppt. So richtig der Grundgedanke ist, ein realitätstaugliches Konzept fehlt.

Doch die inhaltliche Erneuerung kommt schleppend in Gang. Die Ratlosigkeit reicht bis in die Führungsspitze. Das Personal, das die Alternativen zum Erfolg führte, scheint am Ende der Weisheit angelangt. Wie gelähmt reagieren die Grünen auf die tief greifende Existenzkrise der Partei. Das ist das eigentlich Alarmierende.

Die Grünen müssen sich neu erfinden. Sie brauchen einen gewaltigen Modernisierungsschub. Dabei geht es weniger darum, alles Alte über Bord zu werfen, sondern Antworten auf neue Fragen zu finden. Doch ein bisschen mehr Tempo ist gefragt, wenn die Grünen ihrem Anspruch als Reformmotor gerecht bleiben wollen.

Dorothee Winden

Bericht Seite 20