Der Duft von Fischbrötchen

Hamburgensie, unvollkommen: „Zwei Asse und ein König“ (1. Teil Mo., 20.15 Uhr, ZDF)

Du bist der letzte de Fries!“ So ein Satz steht normalerweise am Ende einer Familiensaga, hier aber stürzt er den Helden gleich zu Anfang in einen schweren Gewissenskonflikt. Heiner Lauterbach gibt den Hamburger Reedersohn, der nach dem Tod seines Vaters widerstrebend die Geschäfte des Familienunternehmens weiterführt, obwohl er doch als diplomierter Meeresbiologe viel lieber Robben retten würde.

Das ist reichlich dramatischer Stoff und ein bisschen zu viel für die darstellerischen Möglichkeiten Lauterbachs, der den überzeugendsten Auftritt seiner Laufbahn hatte, als er für einen Kurzauftritt in Sönke Wortmanns „St. Pauli Nacht“ das Problempotenzial seiner Rolle schnell auf den Punkt bringen durfte: „Jetzt brauch ich erst mal eine Currywurst, und danach will ich ficken.“ Sicher, das ist kein schöner Ausspruch, aber man nimmt ihn Lauterbach immerhin ab.

Im Gegensatz zu dem, was ihm alles in „Zwei Asse und ein König“ in den Mund gelegt wird: In der Todesnacht seines Vaters sondert er als frisch nachgerückter Patriarch Sentenzen ab wie: „Wenn du eine Schulter brauchst, ruf mich an.“ Und als Freund des Wattenmeers droht er korrupten Politikern: „Wenn Sie dieses Projekt durchsetzen, dann initiiere ich ein Volksbegehren!“ Das klingt bei ihm ein bisschen wie: „Dann hau ich dir eins in die Fresse!“

Immerhin ist Drehbuchautor und Regisseur Bernd Fischerauer schlau genug, dem Mann, der da so hilflos zwischen Familienehre und Öko-Ethos, zwischen hochmoralischen Vorsätzen und den – nun ja – Bedürfnissen eines echten Kerls hin und her eiert, körperliche Kompensation zu verschaffen: Auf Exkursionen nach Polen (Teil 1) oder Italien (Teil 3), Länder also, die bekanntlich geradezu nach deutschem Altöl und toxischem Müll lechzen, verteilt der Nachwuchsreeder ein paar Kopfnüsse für die gute Sache. Und schafft es so nonchalant, die Geschäfte des Clans mit seinen Ansprüchen als Umweltaktivist zu vereinen.

Über die restlichen Widerspürche von Charakter und Handlung glitscht er dann auf einer maritimen Metaphernsoße dahin. Ja, das muffige Matrosen-Idiom im Stil von „Der Kerl ist glatt wie ein Achterdeck“ muss sein. Schließlich soll der Dreiteiler, der als Mischung aus der Bierbrauer-Chronik „Die Guldenburgs“ und dem Zollbeamten-Serial „Schwarz, Rot, Gold“ daherkommt, eine Hamburgensie sein. Damit das auch den Dümmsten unter den TV-Zuschauern klar wird, überklebte man das Dock 10 von Blohm und Voss, also den Blickfang an den Landungsbrücken, für einige Szenen mit dem de-Fries-Schriftzug. Und in den kleinen Rollen tummeln sich die üblichen Verdächtigen, die norddeutsch über den spitzen Stein stolpern, der notorische Hafenhausmeister Heinz Reincke etwa oder Eva Maria Bauer als unausweichlicher guter Geist des Hauses.

Am wichtigsten aber an einem Hanseatenepos: Auch wenn andauernd Scampis gefressen werden, muss es nach Fischbrötchen riechen. Für eine eine Stadt, die sich vom Villenviertel Blankenese weniger repräsentiert fühlt als von einer Kloake namens Reeperbahn, ist Volksnähe eine wichtige Angelegenheit. Um sie herzustellen, wurde Heinz Hoenig engagiert, der sich als „etwas proletarischer“ (Presseheft) Sidekick Lauterbachs durch die feinen Kunstgalerien reicher Töchter schweinigelt. Das kann Hoenig ganz gut. Schlimm wird es allerdings, als er gegen Ende querschnittsgelähmt im Krankenhaus liegt und erfährt, dass der Kumpel seine Freundin gepimpert hat. Da schreit er in seiner Verzweiflung. Was überhaupt nicht tragisch klingt, sondern wie ein monströser Rülpser.

Nur Martin Benrath, der dritte TV-Star, mit dem für dieses Geldadel-Drama geworben wird, spielt tadellos: Den gelinkten Werftbesitzer, der nach zehn Jahren aus der Versenkung auftaucht, um sich an seinen Feinden zu rächen, mimt der alte Knochen mit grimmigen Blick. Vielleicht hat er sich aber auch nur übers Drehbuch geärgert.

Christian Buß