Kommentar
: WTO k.o. ■  Gentech-Produkte müssen nicht mehr importiert werden

Es ist geschafft. Zum ersten Mal wird den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) in Zukunft ein Umweltabkommen gleichwertig zur Seite gestellt: das Biosafety-Protokoll. Dies ist ein Riesenerfolg – aber einer, auf dem sich keiner lange ausruhen kann.

Nach sieben Jahren Hickhack zwischen den Befürwortern der Gentechnik und den Skeptikern haben sich die Länder am Wochenende in Montreal geeinigt. Damit haben die Staaten das Recht, eine Einfuhr gentechnisch veränderter Organismen zu verweigern, selbst wenn sie deren Schädlichkeit nicht wissenschaftlich nachweisen können. Der „hinreichend begründete“ Verdacht reicht.

Die Einigung ist nicht nur ein Erfolg, weil die WTO bislang kein einziges Umweltabkommen als gleichberechtigt anerkannt hat. Es ist ein besonderer Erfolg, weil es in einem Bereich geschieht, der bis vor kurzem noch als die Zukunftsbranche überhaupt galt: die Gentechnik bei Lebensmitteln, Saatgut, Futtermitteln. Mit dem Biosafety-Abkommen bekommt die Skepsis gegenüber der Gentechnik endlich eine international rechtsverbindliche Gestalt. Die Staatsoberhäupter haben mit der Einigung das getan, wozu sie gewählt wurden: Sie haben den Willen ihrer Wähler repräsentiert. Und sie haben gezeigt, dass die WTO – ihre WTO! – doch eine Institution ist, die von Regierungen und nicht von Handelsideologien geleitet wird. Da capo den Verhandlern und besonders den Nichtregierungsorganisationen, die trotz allem nie im Engagement nachgelassen haben.

Aber die freudentaumelnden Umweltschützer, ob staatlich oder nichtstaatlich, müssen vorsichtig bleiben. Noch ist nichts unterschrieben, geschweige denn ratifiziert. Und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Abkommen in der Warteschleife dümpelt, weil Länder jahrelang ihre Unterschrift verweigern, lobbyiert von einer finanzstarken Industrie.

Es wäre ebenso wenig das erste Mal, dass dieselbe Industrie den von ihnen in vielfältiger Hinsicht abhängigen Entwicklungsländern deutlich zeigt, welche Machtmittel (wie Investitionen, Importe) sie in der Hand haben, wenn ein Land sich tatsächlich als gentechnisches Versuchskaninchen verweigert. Wenn das Abkommen in Kraft treten soll, müssen seine Verteidiger sich bald für dessen Unterzeichnung einsetzen.

Maike Rademaker