Scherf vertagt Jura-Ausbildungs-Reform

■ Uni fürchtet dennoch stärkere Verschulung des Jura-Studiums / Vertrauensschutz soll Studierenden schon jetzt gekündigt werden

Justizsenator Henning Scherf setzt die Reform der Bremer Juris-tenausbildung nun doch nicht im Hauruck-Verfahren gegen die Universität durch. Ursprünglich wollte das Justizressort noch im Januar einen Gesetzesentwurf durch die Bürgerschaft schleusen, um die universitäre Juristen-Ausbildung stärker zu verschulen. Nach heftigem Widerstand aus der Uni, die die Reform als „Oktroi“ empfand, schaltete die Justizbehörde nun einen Gang zurück.

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: „Ziel ist, spätestens im November d.J. die Änderung des JAPG (Juristen-Ausbildungs-Prüfungs-Gesetz) umgesetzt zu haben“, heißt es im vertraulichen Protokoll eines hochkarätig besetzten Treffens. Denn der Streit um die Juristenausbildung wird inzwischen als Chefsache gehandelt: Am 18. Januar trafen sich Uni-Rektor Jürgen Timm und Justizsenator Scherf im Rathaus, um das Problem zu besprechen. Mit dabei: der Präsident des Oberlandesgerichts, Jörg Bewersdorf, Uni-Konrektor Wilfried Müller, der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Lorenz Böllinger, und die Vertreterin der Abteilung Hochschule und Forschung der Bildungsbehörde, Brigitte Kleinen.

Uni und Justizressort vereinbarten, dass die Reform zwar „um einige Monate verschoben, aber nicht aufgehoben“ werde. Damit hat die Universität eine Verschnaufpause bekommen. Zufrieden ist Dekan Böllinger aber längst nicht. Wenn sich Scherf durchsetzt, fürchtet Böllinger, wird die Bedeutung des interdisziplinären Schwerpunktstudiums „faktisch gegen null tendieren“. Genau darauf pocht das

Justizressort. Im Vergleich zu anderen Bundesländern können Bremer Studierende derzeit noch stärker über die Inhalte ihres Studiums entscheiden. Scherf will die Klausurenwertung erhöhen und die mündliche Prüfung sowie die themengebundene Hausarbeit abwerten.

Der studentische Vertreter Tillmann Schmidt begrüßte zwar, dass die Reform verschoben wurde. Er sieht aber „noch keinen Grund zum feiern, da sich das Justizressort inhaltlich kein Stück bewegt hat.“ Zudem erinnerte er daran, dass eine Reform der Referendariatsausbildung bei der Diskussion fälschlicherweise keine Rolle spiele.

Die Debatte um die Reform begann letzten Sommer. Damals hatte eine Studie den Bremer Studierenden schlechte Noten ausgestellt: Beim 2. Staatsexamen schneiden Hamburger und Schleswig-Hol-steiner, die gemeinsam mit den Bremern die Prüfung ablegen, erheblich besser ab. Ungeklärt aber bleibt, woran das liegt: Werden die Bremer schon auf das 1. Staatsexa-men schlecht vorbereitet? Oder ist die Referendariats-Prüfung, die zwischen den beiden Examen liegt, in Bremen so viel schlechter? Oder gibt es noch ganz andere Gründe?

Auf dem Treffen im Rathaus einigte man sich darauf, dass die Universität für eine fundierte Schwachstellenanalyse Zeit bekommt. Die vorhandenen Erkenntnisse sollen „umgehend“ durch eine „umfassendere Datenanalyse durch Dritte“ zusammengetragen und bewertet werden. Daraus sollen „gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Ausbildungs- und Prüfungssystems in Bremen entwickelt“ werden – „möglichst“ im Einvernehmen von Universität,

Justiz- und Wissenschaftsressort.

Während die Uni aber anfängt zu forschen, will das Justizressort zeitgleich bereits Pflöcke einrammen. Scherfs Mitarbeiter dürfen einen Zeitplan erarbeiten und die Zielvorgaben definieren. Besonderer Hammer: Um im Zeitplan zu bleiben, soll den derzeit Studierenden der „Vertrauensschutz“ gekündigt werden. Auf Deutsch: Schon jetzt wird den Studierenden gesagt, dass sie sich bald nicht mehr auf die Prüfungsordnung berufen können, auf deren Grundlage sie ihr Studium begannen.

Durchaus möglich ist, dass die Reform in einem halben Jahr still beerdigt wird. Denn derzeit wird nach einem Weg gefahndet, wie man die Juristenausbildung bundesweit reformieren kann. Falls die Bundesländer sich einigen, könnte eine wirkliche Ausbildungs-Modernisierung durchgeführt werden. Dann wären die Bremer Pläne nur noch alte Hüte. Christoph Dowe