Auf den Sockel gekommen

Hinsichtlich Charakter und Ästhetik das bessere Selbst des Menschen: Die Berliner Bildhauerin Felicitas Frank hat in der Rampe 003 einen Hunde-Salon eröffnet und zeigt dort Hundeköpfe in Wachs ■ Von Katrin Bettina Müller

Neuerdings ist sogar die Kunst auf den Hund gekommen. Die Bildhauerin Felicitas Franck zeigt ihre Hundeköpfe in Wachs im Glaskasten neben der Volksbühne. „Hunde polarisieren die Gesellschaft wie kein zweites Thema“, begründet Felicitas Franck ihre Motivwahl. Das gilt besonders in Berlin, wo der Streit um das Verbot von Kampfhunden zur Zeit selbst die Parteien spaltet. „Im Hund hat sich der Mensch ein bessers Selbst herangezüchtet, ausgesucht nach Kriterien der Ästhetik und des Charakters“, sagt Franck.

Ihr erstes Modell war vor zwei Jahren „Bella“, die den Garten ihrer Eltern in Süddeutschland bewacht, eine Mischung aus allen Hundes des Dorfes. Wenig später entstand ein „Selbstporträt als Schäferhund“. Schließlich sorgt die Identifikation zwischen Hund und Eigentümer nicht selten für die Entwicklung von Ähnlichkeiten.

So entstand die Idee eines Porträt-Studios für Hunde, das jetzt in der Rampe 003 aufgebaut ist. Mit Modellierböcken und Material ausgerüstet, dient die Ausstellung gleichzeitig als Atelier, in dem der Hund einer Freundin mit allen Tricks zum Modellsitzen überlistet wird. Von einer roten Wand blicken Hundeköpfe herunter wie die Trophäen eines Großwildjägers. Kleine Sockel betonen die Aufstellbarkeit der Büsten im Salon zwischen Goethe und Beethoven.

Bevor der Hund auf den Sockel kam, hat sich Franck zusammen mit Margarita Albrecht um die leer geräumten Podeste von Denkmälern in Berlin gekümmert.

Anfang der Neunzigerjahre dokumentierten sie fotografisch das Verschwinden der Helden der Geschichte, die einst zwischen Klassizismus und Stalinismus erhöht worden waren. Die Pathosgesten der Denkmäler aber und ihre gegenständlichen Bildprogramme wollte Franck nicht so einfach dem Abfall der Geschichte überlassen.

Sie interessiert sich für alles, was Emotionen bindet, seien es nun Helden, Hunde oder Heilige. Ihre Arbeiten streifen Randgebiete der Kunst wie Fotoalben, Souvenirs oder Wachsfigurenkabinette. An diesen Orten des Seltsamen und Spektakulären wurde im 19. Jahrhundert jene Geschichte ausgesondert, die zu trivial für die Kunst schien.

Franck beschäftigte sich auch mit Frauenfiguren aus Gemälden von Rubens und Cranach, die sie in Gips nachformte. Die Skulpturen, die den malerischen Posen immer ein wenig ungelenk folgten, formulierten die Differenz zwischen Idealbildern des Körpers und seiner alltäglichen Wahrnehmung. Und deren Gesten stecken uns, davon ist Franck überzeugt, noch immer in den Knochen.

Der Kunstgeschichte folgten Zeitungsfotos als Vorlage. Sehr seltsame Geschichten suchte Franck sich da aus: Aus den Kerzenwachsresten einer Kirche formte sie die Büsten zweier Schwestern, die sich aus religiösem Wahn im Tegernsee ertränkt hatten. Das hatte auch etwas von einer Rache am katholischen Bildprogramm.

Heiligenfiguren, Porträtbüsten, Denkmäler: Alle diese Gattungen, die im Auftrag entstanden, gehören einer Epoche der Kunst vor der Entwicklung der Autonomie und des freien Marktes an. Franck überprüft sie noch einmal auf ihre Tauglichkeit und entdeckt vergessene Potenziale. Die autonome Kunst muss ihre Begründung immer in sich selber tragen. „Sich von diesem Druck eine Pause zu erlauben und bezahlt zu werden“ findet Franck ein legitimes Bedürfnis und will die Auftragsarbeit nicht den „Designern und Kitschproduzenten überlassen“.

Hunde-Salon, Rampe 003, Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte, bis zum 13. 2, Do – So 17 – 20 Uhr