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Der Schmerzensmann im Strudel

■ Nackt im Ich: Auf „Naked Self“ gehen Matt Johnsons The The die Metaphern für das Leiden an den Umständen aus

„My life is halfway through, and I still haven't done what I'm here to do“, singt Matt Johnson in einem Anflug leiser Verzweiflung in seinem neuen Song „SoulCatcher“. Um sich dann zu erinnern, dass die Mama immer gesagt habe: „What you give is what you get.“ Ach, Matt! Quäle Dich nicht länger! Wir wissen es (objektiv) besser. Wir wissen, dass du Dein Soll schon längst übererfüllt hast. Wieviel hast Du schon gegeben! Da muss doch was zurückkommen (denn die Mama hat immer Recht).

Welcher andere Künstler kann schon von sich behaupten, mit Infected bzw. Dusk sowohl für die 80er- als auch für die 90er-Jahres des letzten Jahrhunderts definitive Alben abgeliefert zu haben? Wer hat schon den Mut und die Chuzpe aufgebracht, sich in der direkten Auseinandersetzung mit einem der drei größten Songschreiber aller bisherigen Zeiten ziemlich zu blamieren? Und Mut und Chuzpe haben dich anscheinend noch nicht (ganz) verlassen. Denn nach Hanky Panky, der in sich zerbröselten Nach-/Neulese auf Mister Hank Williams aus dem Jahre 1995, soll bereits eine Auseinandersetzung mit Johnsons Namensvetter, Vorname: Robert, in Arbeit sein. Der nächste Weg zum Kreuz, dornenreich natürlich.

Nein, Matt Johnson, der Mann, der The The war und ist, hat es sich noch nie leicht gemacht. Ein Moralist eben, an dem ironisch-postmoderne Pop-Spielereien abprall(t)en wie ein Ball von einem motorisch überforderten Kind. Prätention? Pathos? Gewiss doch. Man erinnere sich nur daran, dass die erste The The-Welttournee 1989 in einem Film dokumentiert wurde, der ganz bescheiden The The Versus The World betitelt wurde. Darunter macht ers nun mal nicht. Oder war da doch ein Funken Ironie... Doch auf den Alben, die man immer von Matt Johnson in Erinnerung behalten wird – wozu neben den oben genannten Großwerken mit Einschränkungen auch der frühe Klassiker Soul Mining gezählt werden muss – fand der schwere Mut eine musikalische Form, die seine Projektion der gemarterten, wütenden, verzweifelnden Künstler-Seele nicht nur erträglich, sondern essentiell werden ließ.

Diese Form findet Johnson, der inzwischen selbst in dem Land lebt und arbeitet, welches er regelmäßig für die wesentlichen Übel dieser Welt verantwortlich macht, auf seinem neuen Album nicht mehr. The Naked Self treibt uferlos, ohne inneres Gefüge vor sich hin – bombastisch inszenierte Leere hinter jeder Ecke. Vielleicht ahnte Johnson das Desaster und suchte darob Zuflucht in Songtiteln, die immer nur zwei Worte haben und fast beliebig austauschbar erscheinen.

Doch schon der Albumtitel hätte skeptisch machen können. Wenn einem Künstler die Metaphern ausgehen für das, was ihn umtreibt, ist meist der (vorläufige) Tiefpunkt erreicht. Es war ein weiter Weg für Bruce Springsteen von der heiligen Thunder Road bis zur Sackgasse Born In The USA. Doch Matt Johnson sollte in der Vita des älteren Kollegen Trost finden. Wann kommt sein Tunnel Of Love, sein Ghost Of Tom Joad? Das Leben ist doch erst halb gegessen, Matt. Im Idealfall.

Jörg Feyer

Do, 2. Februar, 21 Uhr, Grünspan

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