Der Tod eines Mädchens, das ein Junge sein wollte

■ Interview mit Kimberly Peirce über ihren Film „Boys Don't Cry“, Besetzungsprobleme und Gewalt

Die 32-jährige Regisseurin Kimberly Peirce hat mit Boys Don't Cry (Kritik im überregionalen Teil) eine wahre Geschichte verfilmt, die 1993 in den USA für Schlagzeilen sorgte. In Falls City/Nebraska fand man in einem abgelegenen Farmhaus die Leichen von drei Personen. Unter den Toten war der 21-jährige Brandon Teena, ein attraktiver junger Mann – der eigentlich eine Frau war. Peirce versuchte in ihrem ersten langen Spielfilm he-rauszufinden, warum ein Mädchen, das ein Junge sein wollte, sterben musste.

taz hamburg: Woher rührt Ihr Interesse am Thema des Geschlechterwechsels?

Kimberly Peirce: Als Kind war ich ein „tomboy“, ein Lausebengel, kletterte auf Bäumen herum und zerbrach Dinge mit einem Baseballschläger. Ich interessierte mich immer für Frauen, die sich als Männer ausgaben, als Piraten, Matrosen, Abenteurer.

Wie fanden Sie ihre Hauptdarstellerin?

Vier Wochen vor Drehbeginn sagte ich zu meiner Produzentin: So wird es nichts. In drei Jahren habe ich jedes Mädchen im Land gesehen, und keine war Brandon. Dann flog die Casting-Frau nach Los Angeles, eine Videokasette kam an, und eine wunderbare Person erschien auf dem Bildschirm – mit Cowboy-Hut, Jungs-Augen, Jungs-Ohren, dem richtigen Adamsapfel, dem richtigen Kinn. Endlich jemand, der die Geschlechtergrenze überwand. Und sie lachte. Sie wollte Brandon sein.

Die Gewalt im Film kann man in einige Szenen kaum ertragen.

Ich wollte die Gewalt gegen Brandon respektieren und realis-tisch darstellen. Nun war die Gewalt in Wirklichkeit hundertmal schlimmer. Diese Vergewaltigung dauerte acht Stunden. Im Film sind es zwei Minuten. Ich wollte genau sein, wusste aber immer, dass ich die Gewalt im Film verringern musste. Man sollte die Gewalt spüren, aber sich nicht von ihr abwenden.

Hat der Film letztlich für mehr Aufmerksamkeit gesorgt als die Zeitungsartikel?

Ich habe alle Artikel, die je zu diesem Thema erschienen sind. Es gibt außerdem ein Theaterstück, einen Dokumentarfilm und ein Buch. Ein Spielfilm ist ein Ereignis, das alles zusammenfasst. Wer ins Internet geht und als Suchbegriff „Boys don't cry“ eingibt, findet all diese Diskussionen und Beiträge zum Thema. Wenn man mehr über den echten Brandon erfahren möchte, sehe ich darin keine Konkurrenz zum Film, sondern eine Erweiterung, eine Vertiefung meiner Geschichte.

Interview: Jörg Taszman