Der Bus in der Spree

„Bremse ham wa neu gemacht, die hat ja damals gar nicht gebremst“: Eine Berliner Geschichte, aufgezeichnet ■ von Falko Hennig

Ich habe mich nicht verletzt, ein Beifahrer floggegen die Scheibe, der hat ’ne kleene Beule gehabt

Ich heiße Frank und bin 32 Jahre. Mit dem Bus bin ich in die Spree gefahren. Auf der East-Side. Bei einer Probefahrt hat die Bremse versagt. Ich bin genau parallel zum Fluss gefahren, runter über ’ne Straßensperre und den letzten Gang rausgenommen, und wo ich bremsen wollte, da hat er nicht mehr gebremst. Motorbremse gezogen, da ist er ausgegangen und dann habe ich ihn runtergezogen.

Ich hab mich nicht verletzt, ein Beifahrer ist gegen die Scheibe geflogen, der hat ’ne kleene Beule gehabt. Das war alles, und dann haben sie ihn geborgen damals. Da kam keene Rechnung. Die sind von alleene gekommen.

Da hammse damals die Oberbaumbrücke besetzt und da hat es gleich die Polizei gesehen und kam an. Die haben hier Schlupfe durchgezogen durch die Radläufe und haben den hochgehoben. Die waren alle verbeult. Hinten die habe ich schon einigermaßen gerichtet und gestrichen. Eene Traverse unten war verbogen, die habe ich gerichtet. Nächsten Tag bin ich noch kurz in den Knast gekommen, weil das Gericht eine Vorladung hatte und ich hatte keine feste Adresse. Wegen einem Verkehrsdelikt damals.

91 habe ich den Bus gekriegt, richtig drin gewohnt habe ich von 91 bis vor knapp zwei Jahren. Das ist ein Skoda. Den habe ich damals von einem Busfahrer geschenkt gekriegt, der den gefahren hat. Als die die Grenzen aufgemacht haben, hat er mir erzählt, da hat er das Begrüßungsgeld genommen, ist nach Stuttgart gefahren und hat sich erst mal einen Daimler geholt. Der Bus wurde 77 neu aufgebaut. Ich schätze, der verbraucht 20 Liter Diesel. Mir hat mal eener bei einer Busausstellung erzählt, der den gleichen Bus hat, dass der nur 16 genommen hat.

Zwei, drei Jahre habe ich drin gewohnt, jetzt baue ich ihn wieder aus und will zum TÜV. Ich wollte ja eigentlich im Sommer an der Ostsee sein. Aber es kommt immer was dazwischen. Z. B. finde ich keine Fahrgestellnummer hier. Elektrik war kompliziert. In den Fahrzeugpapieren steht die Nummer ja drin, aber am Auto finde ich sie nicht. Ich habe neulich das gleiche Auto auseinandergenommen, einen Skoda-Lkw, da haben wir den ganzen Rahmen langgeschrubbt und keene Fahrgestellnummer. Das sind alles so Sachen, die uffhalten. Unterboden, mach ick alles. Ab den Achsen da hinten hab ick schon entrostet, gesandstrahlt, was zu schweißen war, geschweißt, gestrichen. Bremse ham wa neu gemacht, die hat ja damals gar nicht gebremst. Da haben wir erst mal die Bremsanlage richtig kennen gelernt.

Ich bastel eigentlich gern. Einen Skoda-Lkw haben wir total zerlegt für Ersatzteile. Ick hab keen’ Luftpresser gekriegt. Mein Luftpresser hat ja versagt, der mit der Bremse zusammenhängt. Und da habe ick irgendwo einen Lkw entdeckt und durfte den total zerlegen. Ich brauchte nur den Luftpresser und da habe ick das ganze Ding zerlegt. Und dabei haben wir ooch die Fahrgestellnummer gesucht, den ganzen Rahmen haben wir blank geschrubbt und nichts gefunden. Das Problem habe ich hier auch noch. Weiter weggekommen bin ick mit dem Bus noch nicht, nur auf der East-Side gestanden und ein paar Probefahrten gemacht.

92, als ick den Bus gekriegt habe, da gabs auf der East-Side bloß eine kleine Gruppe, die mal am Wilhelmhaus gestanden haben, am Tommy-Weißbecker-Haus in der Wilhelmstraße. So ne kleene Gruppe. Da bin ick damals dazugekommen. Da wars eigentlich ruhig und sauber. Dann wurde die Waldemar geräumt und kam dazu. Und ein Haufen Engländer und Franzosen. Da waren dann viele Gruppen gewesen.

Und durch die Waldemar und die Franzosen und Engländer wurde auch viel Hasch vertickt und so. Da gabs dann Stunk und dann gings irgendwie bergab mit der East-Side. Den Bus hab ich damals mit roten Nummernschildern herfahren lassen vor der Räumung. Ich war in Mecklenburg und habe den Führerschein gemacht.

In der East-Side ist mir nie was geklaut worden. Da habe ich auch immer Angst vor gehabt. In der letzten Zeit, als es auf die Räumung zuging, da habe ich immer im Bus geschlafen, weil ich dachte, da passiert irgendwas. Aber es ist nichts passiert. Die Bullen haben einmal den Bus aufgemacht und was mitgenommen. Das Funkgerät, das habe ich dann später wiedergekriegt. Da steht in der Fahndung die Seriennummer drin und da haben sie das Ding zu irgend ’nem Besitzer hingeschickt und dann habe ichs zurückgekriegt.

Sie sind durchs Fenster, bei Gefahr im Verzug, an bestimmten Orten dürfen sie wohl rin, und da hat die East-Side dazugehört. Da war das Schiebefenster nicht ganz zu und da sind se rin und haben was beschlagnahmt. Die East-Side war abgeriegelt gewesen, da hammse zugemacht und alle runter. Von den eigenen Leuten ist keener eingestiegen, nur die Polizei.

Herd, Kühlschrank, Boiler. Hier ist alles mit Gas betrieben, auch der Kühlschrank. Gas, 12 Volt und 220 Volt. Propangasflaschen stehen da unterm Sitz. Herd, Kühlschrank, habe ich allet gekooft, kostet mehr, als was du in der Wohnung brauchst. Ich hab auch Solarpaneele auf dem Dach, da unten ist ein Umwandler drin, da kann ich aus 12 Volt 220 Volt machen. Ich kann Flex und alles über Batterie, also über Sonne betreiben.

Das Bett ist selbst gebaut. Dusche ist selbst gebaut, erst habe ich draußen geduscht, weil sie hier drinnen noch nicht ganz dicht ist. Das meiste ist aus dem Campingzubehör. Das ist der Wassertank für die Dusche, der muss noch verkleidet werden. Ich hatte auch ne Heizung hier drin, ist teurer als inner Wohnung, kostet über 2.000 Mark so’n Ding, Nitromatik. Mit Gas, kannste hier hinten einstellen, welche Temperatur du haben willst.

Kostet ein Heidengeld alles, deshalb gehts auch so schleppend vorwärts.