Wer hält, leise klagend, die Steigbügel?

betr.: „Entzaubert Haider!“, „Haider isolieren?“, taz (Kommentar und Tagesthema) vom 1. 2. 00

Haider entzaubern sei kein Kunststück, meint der Herr Semler. Da soll halt der Peymann aus dem Brecht-Büro ein Machtwort sprechen, das den Haider-Spezis hinter den sieben Bergen in die morschen Knochen fährt! Holde Einfalt, stupide Blöße: Als ob sich in Österreich nicht seit Jahr und Tag Aufklärungs-Alchimisten aus allen Branchen den Zauberstab zerbrächen auf der Suche nach dem Bannfluch, der beim Wahlvolk Wunder wirkt. Haiders Entzauberung bei taz- und BE-Abonnenten ist wahrlich kein Kunststück, weil müßig. Umso weniger ist es bei den „sechseinhalb Millionen Debilen und Tobsüchtigen, die nach einem Regisseur schreien“ (Th. Bernhard) mit Zaubersprüchen getan.

In der Kultur jedenfalls ist gegen Haider kein Kraut gewachsen. Da entsichern die FPÖ-Anhänger allenfalls ihre Revolver. Wie recht hat doch Frau Jelinek: Erst wenn die wieder mal mit ihrem Untergang kokettierenden Ösis den internationalen Liebesentzug im Geldbörserl spüren, werden sie sich mit einem „Küssdiehand, war eh net bös gemeint“ zur Rückkehr in die zivilisierte Gemeinschaft entschließen. [...] Jochen Herdieckerhoff, Wien, Österreich

Ja doch, einen Ganzrechtsaußenpopulisten wie Haider muss mensch „vorführen“, öffentlich „provozieren“, sein „Potential des Ausflippens rauskitzeln“. Ist ja nur ein lustig Spielchen, so ein wenig hin und her palavern mit dem braunen Jörg. Nix da mit Plattform schaffen, ne? Der Haider flippt auch schon mal aus, pah, die paar Anleihen aus der Nazi-Zeit – ist doch eigentlich ein ganz netter, so braungebrannt kernig. Kein Gedanke bei Cohn-Bendit, dass es Toleranzgrenzen gibt, bei Rassismus, Antisemitismus, Volksverhetzung und Glorifizierung von NS-Taten. Aber für Politiker wie Cohn-Bendit gibt es solche politischen Kotzgrenzen – wer spricht da von Moral, von humanistischen Standards der Demokratie? – eben nicht, warum auch? Es gibt halt nur eine „macho-chauvinistisch-autoritäre Struktur“ des WählerInnenpotenzials von Haider und ein bissel Nimbus-Hokuspokus. [...] Alles normalisiert sich eben, auch – so Cohn-Bendit – Haider und die Regierung. Nur wohin? Und wer hält, leise klagend, die Steigbügel? Carlo Hagen, Dresden