3 x 7 gegen das Unrechtsprinzip

Eastern – Western – Eastern: Das Metropolis variiert Kurosawa  ■ Von Jan Distelmeyer

Die Gleichung ist so einfach wie überzeugend und vielleicht gerade heute für uns so interessant, weil sie derzeit in unserem Alltag vornehmlich als Erinnerung Platz findet: Auf das Erkennen der eigenen Ausbeutung folgt die Solidarisierung und schließlich der Widerstand. In seinen Studien über den flexiblen Kapitalismus hat Richard Sennett Antworten darauf gefunden, warum der Slogan fight the power in der zeitgenössischen Arbeitswelt so schwer denk- und durchführbar ist. Ein Ort aber, an dem der Aufstand gegen Unterdrückung immer wieder als Idee aktuell und konsumierbar wird, bleibt das Kino. Drei mal sieben, „Gesetzlose“ gegen ein zum Prinzip gewordenes „Unrecht“. Mit Akira Kurosawas Die Sieben Samurai, Preston Sturges Die Glorreichen Sieben und Frank Beyers Spur der Steine zeigt das Metropolis drei einflussreiche Filme aus unterschiedlichen Dekaden und Kulturen, die diese Grundidee variieren.

Kurosawas Samurai von 1953 und Sturges Remake als Western aus dem Jahre 1960 führen sieben Kämpfer/Samurais/Abenteurer in ein armes Bauerndorf, das von einer Übermacht an Räubern bedroht wird. Hannes Balla (Manfred Krug), mit breitem Schlapphut und Zimmermannsweste, ist in Spur der Steine (1966) der Anführer einer etwas anderen Gruppe von Outlaws. Als die unbeugsamen Sieben der Brigade Balla untergraben sie die planwirtschaftliche Ordnung und Hierarchie im DDR-Industriebau und leisten auf ihre Weise Widerstand innerhalb des Systems, das durch sie an eine Grenze stößt: „Der Anarchismus auf der Baustelle muss aufhören!“ In jedem dieser Filme geht es so auch um Differenz, um die Gegenüberstellung mindestens zweier Systeme und das Eindringen in eine bestehende Ordnung.

Am Anfang steht sowohl in Die sieben Samurai als auch in Die glorreichen Sieben ein Dorf, das angesichts der Bedrohung von außen beschließt, sich gegen die Räuber zu verteidigen. Der Plan, eine Hand voll Samurai anzuheuern (Kurosawa), bzw. Waffen zur Verteidigung zu kaufen (Sturges), führt in beiden Fällen letztlich zu sieben Kämpfern, die wie bessere Spiegelbilder der eigentlichen Bedrohung das Dorf beschützen. Doch während die fremden Samurai um den weisen Anführer Kambei (Takashi Shimura) und den übermütigen Kikuchiyo (Toshiro Mifune) mit den einfachen Bauern noch „ihre Leute“ verteidigen, besetzen die von Yul Brynner angeführten Sieben in einem gedoppelten Sinne die Welt der „Anderen“: Das Hollywood-Ensemble der zukünftigen (Super-) Stars wie Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson, James Coburn und Horst Buchholz verteidigt ein Dorf von Mexikanern, und aus dieser Potenzierung von Differenz erwächst letztlich ein touristischer und bisweilen chauvinistischer Blick auf die pittoresken Volksfeste ihrer Schützlinge.

Im Gegensatz zu Kurosawas ursprünglicher Version, in der der Konflikt zwischen beiden Seiten und von beiden Seiten aus ein Leit-Motif war, verlagert sich im Remake die Aufmerksamkeit bald gänzlich auf die Perspektive der sieben Helden, denen die Bauern wie jene unberechenbaren Kinder begegnen, deren Rettung Bernardo (Bronson) am Ende mit dem Leben bezahlt.

Die komplexeste Struktur der Konfrontation zwischen Drinnen und Draußen entwickelt sich jedoch in der 1966 durch die SED verbotenen DEFA-Produktion Spur der Steine. Mit Zeitsprüngen und Perspektivwechseln lebt diese Geschichte zwischen Außen-vor- und Dabei-Sein in mindestens fünf ineinander verwobenen Bereichen. Freundschaft, Liebe, Familie, Arbeit und das staatliche System: Auf jeder dieser Ebenen begegnen sich die drei Hauptfiguren, der Parteisekretär Horrath (Eberhard Esche), die Ingenieurin Klee (Krystyna Stypulkowska) und „Texas König Balla“. Das jedoch wird erst möglich, weil Spur der Steine die strenge Form der anderen Sieben-Epen sprengt. Zwar ließe sich auch hier eine bedrohliche Räuberbande ausmachen, die man vielleicht als „die Partei“ erkennen könnte; gleichzeitig aber sind alle Beteiligten so sehr ein Teil ihrer eigenen Probleme, dass eine Schuldzuweisung nach außen, eine Flucht in die Differenz, unmöglich wird. Und gerade darin zeigt Spur der Steine eine Nähe zu den Sieben Samurai, die stärker ist als alle motivischen Ähnlichkeiten.

Die sieben Samurai:Fr 4.2., 21.15 Uhr + So 6.2., 17 Uhr + Do 10.2., 19 Uhr; Die glorreichen Sieben: Sa 5.2., 21.15 Uhr + Mo 7.2., 17 Uhr + 10.2., 21.30 Uhr;Die Spur der Steine:So 6.2., 21.15 Uhr + Di 8.2., 19 Uhr + Mi 9.2., 17 Uhr