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Warmer Empfang für „Freund Ismail“

Beim Athen-Besuch des Außenministers der Türkei zeigen beide Seiten Eintracht. Der Weg zu guten Beziehungen ist noch weit

Istanbul (taz) – Ausgesprochen herzlich fiel für den türkischen Außenminister Ismail Cem am Mittwochabend der Empfang in Athen aus. Bei dem ersten offiziellen Besuch eines türkischen Außenministers in Griechenland seit 40 Jahren, begrüßte ihn sein Kollege Georgis Papandreou wie einen alten Bekannten.

Als „mein lieber Freund Ismail“, wurde Cem am Flughafen gepriesen, und tatsächlich sind die persönlichen Beziehungen zwischen dem türkischen und griechischen Außenminister ausgesprochen gut. Bei dem Besuch Papandreous in der Türkei vor zwei Wochen wurde er von Cem in sein Privathaus am Bosporus eingeladen und auch in der Beurteilung der Probleme zwischen beiden Ländern soll es nach Auskunft von gemeinsamen Bekannten zwischen den Außenministern keine großen Unterschiede geben.

Doch das Verhältnis zwischen den jahrzehntelang verfeindeten Nachbarn ist wesentlich komplizierter, als die Männerfreundschaft der Außenminister suggeriert. Sowohl in der Türkei als auch in Griechenland sind die langjährigen wechselseitigen Ressentiments nicht völlig verschwunden, zumal die Opposition in Griechenland hofft, mit einer antitürkischen Rhetorik ihre Chancen für die Wahlen verbessern zu können.

Wohl wissend, dass es noch ein langer Weg bis zu wirklich freundschaftlichen Beziehungen ist, haben die Außenminister zunächst Verträge auf Gebieten vorbereiten lassen, die als unproblematisch gelten. Nachdem Papandreou in Ankara Abkommen zur gemeinsamen touristischen Erschließung der Ägäis und einige Handelsvereinbarungen unterzeichnet hatte, wird Cem ein Kulturabkommen, einen Vertrag zu Gunsten der Handelsschifffahrt und ein Zollabkommen besiegeln.

Darüber hinaus gibt es drei Themen, die nun in Athen in Gesprächen zwischen den Außenministern aber auch zwischen Cem und Ministerpräsident Costas Simitis erörtert werden: Die Türkei schlägt eine gemeinsame Militärkommission vor, die dafür sorgen soll, dass es in der Ägäis nicht wieder zu Spannungen kommt. Griechenland drängt darauf, ein Konsulat am Schwarzen Meer in Trabzon zu eröffnen, um im Gebiet der früheren Pontos-Griechen wieder präsent zu sein. Überdies soll eine seit 1974 geschlossene theologische Hochschule der griechisch-orthodoxen Kirche auf der Insel Heybeli wieder eröffnet werden.

Ausgeklammert bleiben der Konflikt um Zypern und die Gebietsstreitigkeiten in der Ägäis. Die zweite Runde der Zypern-Gespräche unter UN-Moderation in Genf, landete gerade in der Sackgasse und die Anregung Papandreous, die EU solle doch aktiv in die Verhandlungen eingreifen, wurde in Ankara schroff zurückgewiesen. Die USA haben mehr Verständnis für die Wünsche der Zyperntürken, deshalb ist in Ankara niemand an einer europäischen Vermittlung interessiert.

Trotzdem gehen beide Seiten davon aus, dass die Klimaverbesserung zwischen Griechen und Türken auch eine Lösung in Zypern erleichtert. Mit ein wenig Verständnis für die Ängste der Türken auf Zypern, hatte Ismail Cem in einem Interview in Genf gesagt, könne bis Ende des Jahres eine Vereinbarung stehen.

Jürgen Gottschlich

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