Gerechtigkeit und Transparenz

Auf seiner ersten Deutschlandvisite verspricht Indonesiens Präsident Wahid mehr Demokratie für sein Land und wirbt um Investitionen ■ Aus Bonn Sven Hansen

„Ein internationales Tribunal zu Osttimor ist kontraproduktiv, weil es die nationalistischen Kräfte im Militär stärkt“

Indonesiens Präsident Abdurrahman Wahid verkörpert äußerlich die angeschlagene und schwierige Situation seines Landes: Auf einen Helfer gestützt betritt der von zwei Schlaganfällen geschwächte Führer des viertgrößten Landes der Welt am Donnerstagabend das Bonner Hotel Maritim. Vor den deutschen und indonesischen Wirtschaftsvertretern wirkt Wahid oft abwesend, weil er wegen seiner Erblindung meist mit geschlossenen Augen dasitzt. Während der 59-Jährige mit erschöpfter Stimme spricht, steht hinter ihm ein Adjudant der indonesischen Armee in Paradeuniform. Mal scheint der Soldat ihm wie ein Schalk im Nacken zu sitzen, mal wirft er einen Schatten auf Wahid.

Zum ersten Deutschlandbesuch des im Oktober gewählten Präsidenten sind doppelt so viele indonesische wie deutsche Wirtschaftsvertreter gekommen. Bei Wahids Vorgängern Suharto und Habibie war das ganz anders. Als Lieblinge der deutschen Wirtschaft machten sie ihr Land zum größten Handelspartner in Südostasien. Davon erbte Wahid nur Scherben. Im vergangenen Jahr gingen die deutschen Exporte nach Indonesien gegenüber 1997 um rund 60 Prozent zurück. Während Indonesien um Vertrauen und Unterstützung wirbt, gehe es aus deutscher Sicht darum, „den Fuß in der Tür zu behalten“, wie ein Bankvertreter sagt.

Trotz seiner körperlichen Gebrechen und den Strapazen der Reise (13 Länder in 15 Tagen) ist Wahid jedoch geistig voll dabei. Seine Gastgeber sind angenehm überrascht. „Er ist genau der Präsident, den das Land momentan braucht“, sagt ein Unternehmer. Wahid betont die Wichtigkeit ausländischer Investitionen, seine Regierung bemühe sich um Transparenz, Offenheit, Gleichbehandlung und soziale Gerechtigkeit.

Bei Details verweist der frühere Muslimführer an seinen Superminister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie, Kwik Kian Gie.

Der nennt zahlreiche Komitees für Wirtschafts- und Finanzreformen. Der aktuelle Machtkampf mit dem früheren Armeechef Wiranto ist für beide kein Thema.

Ein deutscher Firmenvertreter beklagt sich, dass seine Fabrik in der nach Unabhängigkeit strebenden Provinz Aceh angezündet worden sei. Anders als Suharto verträgt Wahid offene Worte. „Das kommt in Zeiten des Übergangs leider vor“, sagt er. Seine Regierung tue ihr Möglichstes, brauche aber auch noch etwas Zeit. Von der Bundesregierung wünscht er sich Hilfe bei der Ausbildung von Polizisten und Militärs. Wie die taz aus dem Auswärtigen Amt erfuhr, sei beides momentan nicht vorgesehen. Zunächst müsse sich der Einfluss des Militärs auf die Politik weiter reduzieren, Menschenrechtsverletzer müssten vor Gericht gebracht werden. Bestätigt wird jedoch, dass Indonesien Kontakte zu einzelnen Bundesländern wegen der gewünschten Polizistenausbildung hat.

Die Bundesregierung spricht sich gegen Unabhängigkeitsbestrebungen in Aceh und anderen Regionen aus. Berlin teilt auch Jakartas Ablehnung eines internationalen Menschenrechtstribunals für Osttimor, solange sich Indonesien darum bemühe, selbst die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. „Ein internationales Tribunal ist kontraproduktiv, weil es die nationalistischen Kräfte im Militär stärkt und damit wirksame Strafverfolgung vereitelt“, so Außenminister Alwi Shihab zur taz. „Als Demokratie muss Indonesien die Chance haben, die Täter zu verurteilen.“ Es gebe kein positives Wechselspiel zwischen äußerem Druck und dem eigenen Bemühen zur Verurteilung der Täter. Wahid unterstrich bei der Pressekonferenz mit Bundeskanzler Schröder am Freitagmorgen in Bonn das Interesse an guten Beziehungen zu Osttimor. Schröder sagte nur, er vertraue darauf, dass Wahid in Indonesien für eine friedliche demokratische Entwicklung sorge.

Während auch gestern in Jakarta wieder Putschgerüchte kursierten, wiegelte Außenminister Alwi Shihab ab. Dass der Sicherheitsminister und frühere Armeechef Wiranto trotz Aufforderung Wahids nicht zurücktrete, sei keine Befehlsverweigerung. „Das war kein Befehl, sondern nur eine Empfehlung“, so Alwi Shihab. Vor seiner Weiterreise nach Italien wollte Wahid gestern Nachmittag in Berlin mit Außenminister Joseph Fischer zusammentreffen.