„Historischer Schritt gegen die Straflosigkeit“

Sidiki Kaba, einer der Anwälte der Kläger gegen Habré und Direktor der senegalesischen Menschenrechtsorganisation ONDH, prophezeit den Diktatoren Afrikas eine Zukunft vor Gericht

taz: Kann man die Fälle Habré und Pinochet vergleichen?

Sidiki Kaba: In gewissem Maße ja. Wir wissen jetzt, dass Diktatoren von ihren Verbrechen eingeholt werden können. Die Globalisierung hat zu einer Verallgemeinerung der Menschenrechte geführt, die Justiz ist ein wenig zur Gegenmacht der Staaten geworden. Alle Diktatoren riskieren nun, juristisch verfolgt zu werden, egal wo sie sich befinden. Pinochet wird von einem spanischen Untersuchungsrichter auf Grundlage des Prinzips der universellen Justiziabilität von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt. Ob er nun ausgeliefert wird oder nicht. Wichtig ist, dass die britische Justiz anerkannt hat, dass die Fakten, die gegen ihn aufgeführt wurden, fundiert sind. Wir haben aber nicht auf den Fall Pinochet gewartet. Wir haben uns schon seit langer Zeit mit dem Dossier Habré beschäftigt.

Habrés Anhänger verstehen nicht, dass er nun gejagt wird, nachdem er zehn Jahre lang friedlich in Senegal gelebt hat.

Wir jagen Habré nicht. Es gibt kein Bedürfnis nach Rache von Seiten der Menschenrechtsorganisationen. Aber wir dürfen nicht die tschadischen Opfer vergessen. Man spricht von 40.000 politisch motivierten Hinrichtungen und verschwundenen Personen und von mehr als 200.000 Fällen von Folter. 792 Fälle haben wir detailliert aufgelistet. Das sind Opfer, die in den Senegal gekommen sind, um Gerechtigkeit zu finden. Wir unterstützen die Aktion dieser Opfer. Und Habré hat die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Am Ende entscheidet das Gericht, ob er schuldig ist oder nicht.

Inwiefern handelt es sich hier um einen historischen Prozess? Als Anwalt der Opfer und als Präsident der nationalen Menschenrechtsorganisation (ONDH) bin ich sehr froh, an diesem historischen Schritt gegen die Straflosigkeit teilhaben zu können. Dies ist ein historischer Prozess, weil er hier auf afrikanischem Boden stattfindet. Alle afrikanischen Staatsmänner haben die Augen auf Dakar gerichtet. Alle Diktatoren werden sich jetzt sagen: Was in Europa mit Pinochet passiert, kann auch in Afrika stattfinden. Und von nun an sind sie gezwungen, die Menschenrechte zu respektieren. Das ist ein fundamentaler Schritt auf dem Weg zu der Konstruktion von souveränen Rechtsstaaten in Afrika. Interview:
Veronika Eggersglusz