Vertriebene Haider-Geister

Werder siegte am Wochenende 2:1 gegen den VfB Stuttgart / Von beileibe nicht unhaltbaren Bällen und Anti-Haider-Gefuchtele berichtet die taz-Kulturredaktion

Werder Bremens Testspielbilanz in der Winterpause gab für den Bundesliga-Rückrundenstart Anlass zu den übelsten Befürchtungen. Sechs Spiele, sechs Niederlagen. Zuletzt gar eine deprimierende Schlappe gegen einen ostfriesischen Oberligisten – die Vorstellung fiel schwer, dass diese Truppe ausgerechnet gegen den VfB Stuttgart, immerhin als zweitstärkste Auswärtsmannschaft der Liga nach Bremen angereist, würde bestehen können.

Doch Werder hatte Glück: Denn während die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf bloß für die Dauer der Winterpause vergessen hatte, dass man Fußballspiele auch gewinnen kann, war dem VfB Stuttgart ausgerechnet zum Bundesliga-Rückrundenstart entfallen, dass ein Fußballspiel tatsächlich insgesamt neunzig Minuten dauert.

„Bis zur 60. Minute war meine Mannschaft nicht auf dem Platz“, bilanzierte ein sichtlich frustrierter VfB-Trainer Ralf Rangnick nach dem Spiel am Samstag im Weser Stadion.

In den restlichen dreißig Minuten dämmerte den Schwaben immerhin schwach, dass es keine richtig dumme Idee sein würde, den Ball mit einer gewissen Zielstrebigkeit dorthin zu treten, wo Werder-Torhüter Frank Rost mangels alternativer Beschäftigung bis dahin dem Gras im Strafraum beim Wachsen zusah.

Doch viel mehr als ein äußerst glückliches, weil zweifach abgefälschtes Freistoßtor durch den eingewechselten Krisztian Lisztes sowie einer Großchance kurz vor Spielende, als Heiko Gerber und Pavel Kuka an Rost scheiterten, erwuchs nicht aus den Stuttgarter Bemühungen. Und da Werder Bremen das einstündige Freiluft-Nickerchen des Gegners zu zwei Freistoßtoren durch Bernhard Trares (6. Minute) und Andreas Herzog (13. Minute) genutzt hatte, schlichen die VfB-Spieler verdient als Verlierer vom Platz.

Mit der Niederlage war Stuttgart sogar noch gut bedient, denn zeitweise lag durchaus ein Desaster für die Rangnick-Elf in der Luft. Allein in der ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit demonstrierten die Werderaner beinahe im Minutentakt, wie man sich gegen eine völlig orientierungslose Abwehr eine Riesen-Torchance nach der anderen erarbeitet.

Doch zum Leidwesen der 26.000 Zuschauer demonstrierten das erneut überragende Stürmerduo Ailton/Claudio Pizarro sowie Andree Wiedener auch, wie man fast im Minutentakt eine Riesen-Torchance nach der anderen zuweilen kläglich versemmelt. Aber schlimmer als vertane Torchancen wiegt die Abwesenheit eben solcher. Und nimmt man hinzu, dass Leistungsträger wie der VfB-Mittelfeldstratege Krassimir Balakow ihren gesamten Ergeiz darauf verwendeten, in der Rangliste der Spieler mit den wenigsten Ballberührungen ganz oben stehen zu wollen, dann erst hat man wirklich ein ernstes Problem.

Der verzweifelte Rangnick suchte es durch eine kleine Völkerwanderung zu lösen, als er Mitte der zweiten Halbzeit auf einen Schlag gleich drei neue Spieler einwechselte. Doch auch diese Maßnahme konnte nicht den Eindruck verwischen, dass weitere acht Spieler das Stuttgarter Trikot auf dem Platz spazieren trugen, die auf der Auswechselbank entschieden besser aufgehoben gewesen wären.

Thomas Schaaf wird's egal gewesen sein, dass mehr als die Stärke seiner eigenen Mannschaft die Schwäche des Gegners am Ende den Werder-Sieg bedingten.

Eine Stunde lang dominierten die Bremer nach Belieben, zeigten druckvollen Kombinationsfußball gepaart mit eklatanten Abschlussschwächen und hatten beim frühen Führungstor zudem noch das Glück, dass der österreichische VfB-Torwart Franz Wohlfahrt offenbar von den politischen Turbulenzen in seiner Heimat stark angeschlagen war.

Trares weder scharf noch platziert geschossenen Freistoß ließ Wohlfahrt in sein Tor tupfen, weil er im entscheidenden Augenblick mit seinen Händen nicht den Ball, sondern wie ein ungelenker Schattenboxer irgendwelche bösen Haider-Geister von der Torlinie zu vertreiben suchte. „Unhaltbar war der Ball wohl nicht“, kommentierte Trainer Rangnick später sarkas-tisch diese bizarre Aktion seines Tormanns. Sollte Wohlfahrt durch seinen Einsatz wenigstens die bösen Haider-Geister gestoppt haben, hätte der Rückrundenstart selbst aus VfB-Sicht doch noch sein Gutes gehabt.

Franco Zotta