Mit der längsten Umweltaktion auf Du und Du
: 20 Jahre Atomblockade

Stockholm (taz) – Sie landete sogar im „Guinness-Buch der Rekorde“, die längste Umweltaktion der Welt. Morgen geht sie zu Ende. Knapp vor ihrem 20. Geburtstag, nach genau 7.233 Tagen hat die Aktionsgruppe „Rettet das Kynnefjäll“ gewonnen. Der westschwedische Berg Kynnefjäll war Mitte der 70er-Jahre als interessantester Platz für den Bau eines Atommülllagers für alle ausgebrannten Brennelemente der schwedischen AKWs ausgewählt worden. Der Berggrund schien geeignet, die Gegend war recht öde, nur eine Handvoll einsamer Höfe in der Umgebung – da konnte es wohl keinen ernsthaften Widerstand geben.

Konnte es doch. Es war dieses Dutzend EinödbewohnerInnen, ohne welche die Atommuellgesellschaft SKB („Svensk Kärnbränslehantering“) ihre Rechnung gemacht hatte. Ihr schneller und wohl organisierter Widerstand zog immer weitere Kreise.

Für den 22. April 1980 hatte die SKB grünes Licht für Probebohrungen bekommen. Einen Tag vorher hatte „Rettet das Kynnefjäll“ eine strategische Wegkreuzung im Wald besetzt. Am 25. April 1980 waren die ersten Maschinen angerollt, konnten aber nie mit ihrer Arbeit beginnen. Nach ein paar Wochen wurden sie wieder abtransportiert. Die UmweltschützerInnen trauten diesem Frieden nie und hielten weiter Wache. Ihre Blockade haben sie damit seit dem 21. April 1980 Tag und Nacht, 173.592 Stunden lang durchgehalten.

Neben der Kreuzung wurde bald ein stabiles Blockhaus hochgezogen. Die „Wachhütte“ wurde sonntägliches Ausflugsziel der Einheimischen und Urlaubsziel von UmweltschützerInnen aus aller Welt. Der Siebzigjährige Erik Johannson ist mit dieser Aktion buchstäblich alt und grau geworden. Er war von Anfang an dabei, wohnt ja auch nur ein paar hundert Meter entfernt. Und wenn am 8. Februar die letzten Abschiedsgäste verschwunden und die Lichter der Fernsehteams ausgeschaltet worden sind, ist es für ihn noch lange nicht vorbei: „Ein Gedenkstein muss hier hin kommen. In mehreren Sprachen. Und aus der Wachhütte soll ein Museum werden. Irgendwo müssen wir ja mit den ganzen Photos, Zeitungsausschnitten und Tagebüchern hin.“

Für Ulla Vogler, Vorsitzende von „Rädda Kynnefjäll“, ist der wichtigste Tag für die Bürgerinitiative allerdings gar nicht der Beginn der Besetzungsaktion war, sondern Mittwoch der vergangenen Woche. Da landete ein Brief von Umweltminister Kjell Larsson in Ulla Voglers Briefkasten: Mit einer Garantie der Regierung, dass das Kynnefjäll nie zum Atommülllager gemacht werde.

Die Bürgerinitiative wird sich trotzdem nicht auflösen. „Man weiss ja nie“, meint Ulla Vogler, „wenn da eine neue Regierung wieder andere Pläne macht. Und ausserdem wollen wir insgesamt den Kampf gegen ein Atommülllager weiterführen.“ Denn die SKB hat mittlerweile sechs andere Plätze für ein Atomklo im Urgestein ausgeguckt.

Reinhard Wolff