Kommentar
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Gedankenlos und dreist ■ Peter Strieder verliert die Bodenhaftung

Manchmal, ja manchmal würde man sich wünschen, dass Politiker lernfähig wären. Die Spendenaffären der vergangenen Monate haben sicher mit vielen Illusionen aufgeräumt. Redlichkeit oder gar Ehrlichkeit legt als Maßstab ja schon kaum jemand mehr an. Aber politisches Gespür oder wenigstens eben Lernfähigkeit sollte man erwarten dürfen.

Allerdings offenbar nicht beim Landesvorsitzenden der Berliner SPD. Größe bewies der Supersenator bislang allenfalls beim Zuschnitt seines Amtes.

Wie kann ein politisch denkender Mensch die Affären seiner Genossen in Nordrhein-Westfalen unberührt an sich vorbeiziehen lassen? Wie kann Peter Strieder nach dem Rücktritt von Finanzminister Schleußer in Nordrhein-Westfalen noch so dreist lügen? Und wie kann ein Parteivorsitzender die schleichende Demontage der CDU auf Bundesebene beobachten und meinen, er käme ungeschoren davon?

Bei der Annahme des Minicomputers beim Pressefest des Focus handelt es sich eben nicht um eine Kleinigkeit. Sicherlich war das ein nettes Partygeschenk. Doch gibt es sehr genaue Vorschriften darüber, was Regierungsmitglieder mit solchen Partygeschenken anzufangen haben. Das dämmerte wohl auch Strieder, als er die Annahme des Computers zunächst bestritt, wenig später allerdings zugab.

Dieser bislang vielleicht schwerste Fehltritt Strieders wirft auch die Frage nach dem Format des SPD-Senators auf. Schließlich bewies der Bausenator auch schon bei der Trauerfeier für den Oberkantor der Jüdischen Gemeinde, Estrongo Nachama, mit welch geringem Gespür er ausgestattet ist. Gleiches gilt für die Flugreise nach Moskau im Jet des Unternehmers Peter Dussmann.

All das führt beim ehemaligen Vorzeigelinken der SPD allerdings nicht dazu, aus Fehlern zu lernen, sondern eher dazu, sie künftig wider besseres Wissens zu bestreiten. Damit wird Strieder möglicherweise nicht nur zum Fall für die Staatsanwaltschaft, sondern ist auch ein Paradebeispiel dafür geworden, wie gedankenlos und dreist sich ein Berliner Spitzenpolitiker und SPD-Landesvorsitzender auf dem politischen Terrain von Spenden und Vorteilsannahme bewegt. Barbara Junge