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Geheime Dienste ■ Von Wladimir Kaminer

Die ZSU – der geheimste aller russischen Geheimdienste – kündigte neulich eine geheime Pressekonferenz an. ZSU heißt so viel wie Zivile Spionage aus dem Universum. Diese Organisation ist so geheim, dass selbst die engsten Mitarbeiter nicht wissen, in welche Richtung sie täglich zur Arbeit fahren müssen. Das Hauptquartier ist jedesmal woanders, und die Mitarbeiter werden mit Sonderfahrzeugen zur Arbeit gefahren. Die Route wird in den Bordcomputer des Shuttles während der Fahrt eingegeben, und wenn das Fahrzeug sie nicht richtig befolgt, fliegt es sofort in die Luft. Dafür bekommen die kosmischen Spione aber das doppelte Gehalt eines normalen Bodenspions und haben 60 Tage Urlaub im Jahr, den sie allerdings schlafend verbringen müssen. Wegfahren dürfen sie selbstverständlich nicht, stattdessen werden sie in ein spezielles Geheimsanatorium eingesperrt. Bis jetzt hatte die Regierung nach außen immer so getan, als ob sie von der ZSU nichts wüsste, obwohl jedes Kind einem in Moskau sagen kann, dass sie in dem großen Lastwagen an der Choroschewski-Chaussee sitzen, auf dem „Russischer Champagner“ draufsteht und der ständig hin und her fährt. Nun hat aber die Bevölkerung viele Fragen an die kosmische Spionage gestellt, denn alle wundern sich, das Bassajew, der tschetschenische Rebellenanführer, immer noch lebt. Die Beseitigung von gefährlichen Verbrechern ist traditionell Aufgabe der kosmischen Spionage. Bassajews Vorgänger, der erste unabhängige tschetschenische Präsident General Dudajew, wurde in erstem Krieg 1995 von einer Rakete aus dem All erwischt, als er mit einem Handy telefonierte. Die Russen sagten damals, dass sie jedes Funktelefongespräch innerhalb von Sekunden aus dem All verfolgen und einen Raketenangrif auf den Handy-Nutzer in die Wege leiten könnten. Dabei betrage die Treffgenauigkeit 20 Zentimeter. Man kann praktisch jemandem aus dem All die Ohren abschießen. Dafür haben die Russen sechs Milliarden Dollar teure sog. Topol-Komplexe zusammengestellt: Jede Rakete hat ihren eigenen Sputnik und einen eigenen Geheimcode. Die Betriebe, die das produzierten, wurden nach Beendigung der Arbeit mitsamt ihren Mitarbeitern beseitigt – zur Sicherheit.

Aber was nun? Warum lebt Bassajew immer noch? Auf der Pressekonferenz erklärte der stellvertretende Direktor der ZSU die wahren Grunde dafür. Zur Zeit sind alle 35 orbitalen Sputniks auf der Suche nach Bassaejws Handy. Der Haken dabei ist, das Bassajew es vom Terroristen Nummer eins, dem US-Staatsfeind Bin Laden, geschenkt bekam. Es ist ein Wunder der Technik, das selbst nicht viel weniger als ein Sputnik kostete, tausende von Nummern einprogrammiert hat und spezielle Signale ins All sendet, die die russischen Raketen verwirren. Auf diese Weise hatten sie schon mehrmals falsche und sogar ganz falsche Ziele erwischt, wie zum Beispiel das D2-Mannesmann-Rechenzentrum in Kamenogorsk, wo die Firma gerade angefangen hatte, ihr Netz aufzubauen. Der ZSU-Mann versprach trotzdem, das Bassajews Tage gezählt sind, weil er auf seinem Handy nur eine Million Dollar Startguthaben hat, das bald vertelefoniert sein müsste. Die Gespräche mit so einem Apparat sind nämlich unglaublich teuer, erläuterte der ZSU-Chef. Und Bassajew telefonierte in letzter Zeit wie verrückt. Aber der Tschetschenenführer kann die Telefonrechnung für dieses Luxusgerät nicht zahlen. Dann wird er nach dem normalen herkömmlichen russischen Handy greifen – und wieder zur Zielscheibe für unsere Raketen werden, so hoffen wenigstens die Russen.