Hallodri in der kriminalistischen Klischeesackgasse

Apropos Fassbinder? „Teuflischer Engel“ könnte ein so schönes Sadomaso-Melodram sein, wenn es denn nicht auch noch als Whodunit daherkommen würde (20.15 Uhr, ARD)

Gottfried John sieht aus wie ein trauriger Elefant. So einen solltest du lieber nicht piesacken, sonst macht er dich platt. Der Schauspieler ist also genau der richtige für die Rolle des Ex-Boxers Henry. Das ist ein Hallodri, der auf dem Bau jobbt und mit seinem Ersparten an der Börse spekuliert. Er will das Leben genießen, schließlich ist er gerade aus dem Knast gekommen. Da war er, weil jemand der Frau wehgetan hat, die er liebte. Und schon kann das Schicksal seinen Lauf nehmen, denn auch Vera (Julia Stemberger), die er auf dem Bahnhof vor einem Rüpel in Schutz nimmt, wird ständig wehgetan. Und zwar von ihrem Mann.

Das klingt nach dem perfekten Räderwerk einer Tragödie. Ist es aber leider nicht. Regisseur Peter Kahane, der schon jüngst im Kino mit seinem ostalgischen Roadmovie „Bis zum Horizont und weiter“ durch eine überladene Handlung auf der Strecke blieb, will einfach zuviel. Nämlich nicht nur ein Rühr-, sondern auch ein kriminalistisches Rätselstück. Dafür aber ist sein erzählerischer Atem einfach nicht lang genug. Keuchend kurvt er von einem Genre zum anderen, der Logik geht er dabei schon mal verlustig. Denn wenn am Ende Veras verhasster Gatte mit gebrochenem Rückgrat im Treppenhaus der Luxusvilla liegt, bugsiert sich der Regisseur in eine Sackgasse aus kriminalistischen Klischees. Und aus der kommt er nur raus, indem er den Zufall ein bisschen arg strapaziert.

Trotzdem hat das Krimi-Melodram schöne Momente. Was vor allem an den Schauspielern liegt, die sich in ihrer Karriere nicht immer durch Subtitilität hervorgetan haben. Gottfried John gibt den empfindsamen Brocken, und Christian Tasche darf als manisch eifersüchtiger Ehemann und Speditionsmillionär seine weiche Visage zur boshaften Fratze verziehen – und die Dresche, die er seiner Frau angedeihen lässt, als Zeichen der Liebe deuten.

Manchmal hallen in dieser Studie über Beherrschung und Befreiung ganz leise die Großtaten einer Ära nach, in der der deutsche Film vor allem mit dem Namen Rainer Werner Fassbinder gleichgesetzt wurde. Das sadomasochistische Abhängigkeitsverhältnis erinnert jedenfalls blass ans Meisterwerk „Martha“. Wobei es bezeichnend ist, dass es heutzutage nicht ausreicht, einfach nur ein Melodram zu drehen – es muss schon als Whodunit daherkommen.

Apropos Fassbinder: So wie der einst Ex-Stars zu ungeahnter Größe verhalf, kitzelt auch Kahane Unerwartetes aus seinen Darstellern heraus. Julia Stemberger jedenfalls, die seit ihrem schlimmen Selbsterfahrung-Strip in „Der König von St. Pauli“ als eine Art Kamikaze-Aktrice gilt, spielt sich einmal nicht um Kopf und Kragen. Im Gegenteil, äußerst verhalten macht sie deutlich, wie die verhuschte Spediteursgattin zwischen Tennisplatz und Brummi-Taufe ein Selbstwertgefühl entwickelt. Respektabel. Christian Buß