Der Bruch mit dem Tudjman-Regime ist perfekt

Höher als erwartet gewinnt Stipe Mesic die Stichwahl um die Präsidentschaft in Kroatien

Sarajevo (taz) – Zeitweilig sah es während der letzten Tage so aus, als würde er es nicht mehr schaffen. Der Präsidentschaftskandidat der Kroatischen Volkspartei, Stipe Mesić, litt sichtlich unter den Anschuldigungen, er habe mit dem früheren jugoslawischen Geheimdienst Udba zusammengearbeitet. Doch er kämpfte und gewann. Mit 56,21 Prozent der Stimmen fiel sein Sieg bei der Stichwahl gegen den Konkurrenten, den Sozialliberalen Dražen Budiša ( 43,79 Prozent) sogar höher aus als von Optimisten erwartet. Die Wahlbeteiligung lag bei 61 Prozent.

Mesić gewann in 14 Wahlkreisen, darunter die Hauptstadt Zagreb. Nur 4 gingen an Budiša, der das Ergebnis enttäuscht akzeptierte. Noch vor Wochen hatte er sich als der sichere Sieger fühlen können, war er doch Kandidat der bei den Parlamentswahlen mit über 40 Prozent der Stimmen erfolgreichen Koalition aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen.

Mesić gehört dagegen dem kleineren oppositionellen Parteienbündnis „Četvorka“ an, das auch von der Volkspartei getragen wird, und konnte noch vor Wochen gerade einmal mit 2 Prozent Zustimmung rechnen.

Das ist jedoch Vergangenheit. Auf einer beispiellosen Sympathiewelle wurde Stipe Mesić an die Staatsspitze getragen. Den umgänglichen und volksnahen Mesić unterstützten vor allem Frauen und junge Wähler. Und auch jene, die endlich Schluss machen wollten mit dem Tudjman-Regime. Dass Budiša in den letzten Wochen um die Stimmen der Anhänger des alten Regimes buhlte, hat ihm mehr geschadet als genützt.

Radikaler könnte der Bruch mit dem alten Regime in Kroatien nicht ausfallen. Die Zuordnung, der 65-jährige Mesić sei ein „konservativer“ Kandidat, die in der deutschen Presse verbreitet wurde, ist unangemessen. Schon 1966 ins kroatische Parlament gewählt und 1967 als Mitglied des Bundes der Kommunisten Kroatiens als Bürgermeister von Orahovica in Slawonien in Erscheinung getreten, schloss sich Mesic 1971 der Bewegung des „Kroatischen Frühlings“ an, die nationaldemokratische Forderungen stellte. Mesić wurde nach der Niederschlagung der Bewegung durch Jugoslawiens Staatschef Tito wie sein Gegenkandidat Dražen Budiša und andere kroatische Oppositionelle zu drei Jahren Haft verurteilt.

In der Folgezeit als Einzelkämpfer und durch den Geheimdienst Udba drangsaliert, von einem normalen Berufsleben fern gehalten, gehörte er zu dem Ferment einer demokratischen Nationalbewegung. Mesić wurde Gründungsmitglied der Tudjman-Partei HDZ, 1990 erster Premierminister der postkommunistischen Regierung und 1991 letzter Staatspräsident Jugoslawiens.

Er profilierte sich als Kämpfer für Unabhängigkeit und Demokratie. Als Tudjmans Stil autoritärere Züge annahm, verschlechterte sich Mesić’ Beziehung zu dem kroatischen Staatschef. 1993, nach Beginn des Krieges der Kroaten gegen die Muslime Bosniens, warf er Tudjman vor, mit Milošević gemeinsame Sache zu machen. Mesić stieg 1994 aus, wurde verfemt, verlor sein Forum in den Tudjman-hörigen Medien.

Doch Mesić gab nicht auf. Er wurde einer der schärfsten Kritiker Tudjmans, Milošević’ und der anderen Nationalisten des ehemaligen Jugoslawiens. Als Ehemann einer Serbin wurde er im Gegenzug oft diffamiert. Als „kroatischer Patriot“ trat er für die demokratischen Rechte der Minderheiten ein, für eine Aussöhnung mit anderen Bevölkerungsgruppen ein. „Wir brauchen eine Verfassungsreform, die Macht des Präsidenten muss eingeschränkt werden“, forderte er. „Wir müssen alles tun, möglichst bald der Europäischen Union und der Nato beizutreten“, erklärte Mesić am Wahlabend. Einige Monate – bis das Parlament die Verfassung geändert hat – wird Mesic mit der von ihm kritisierten Machtfüllle ausgestattet sein und Gelegenheit haben, einige Versprechen einzulösen. Erich Rathfelder

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