Dem Terror ausgeliefert

Mordanschläge in Serbien sind meist gut geplant. Die Polizei kann nur hilflos zusehen

Der Mord am jugoslawischen Verteidigungsminister, Pavle Bulatović, ist der vorerst letzte in einer Serie von tödlichen Anschlägen, die in Belgrad schon einige Jahre lang die Menschen erschrecken. Experten behaupten, man könne mehr oder weniger stets „dieselbe Handschrift“ erkennen. Die Täter scheinen genau zu wissen, wo das Opfer sein wird, bereiten den Mord so vor, wie man es aus entsprechenden amerikanischen Filmen kennt, verschonen meist zufällig andere Anwesende und verschwinden.

Von dutzenden Morden wurde keiner aufgeklärt

Von dutzenden solcher Morde wurde bisher kein einziger aufgeklärt. Mit dem neuesten Verbrechen am ehesten vergleichbar ist der Mord an Radovan Stojicić, zur Tatzeit Stellvertreter des Innenministers und Polizeichef Serbiens, der in einem Belgrader italienischen Restaurant mit seinem Sohn, einem Studenten, und einem Freund beim Abendessen saß, als der Attentäter eintrat, ohne einen anderen zu verletzen seine Maschinenpistole abfeuerte und spurlos in der Nacht verschwand. Die an Nachbartischen sitzenden Leibwächter hatten sich unter die Tische geworfen. Das war bereits vor rund zwei Jahren – bisher fehlt noch immer eine jede Spur von den Mördern und irgendeinem Tatmotiv.

Der Milizführer und neureiche Spekulant Zeljko Raznatović-Arkan wurde vor zwei Wochen in einer Hotelhalle am Nachmittag niedergemäht, allerdings gleichzeitig mit ihm auch zwei Männer, die angeblich zufällig mit ihm an einem Tisch saßen. Einer von ihnen war ein hoher Beamter der Fremdenpolizei. Ein Leibwächter feuerte zurück, einer der Täter wurde verletzt, von der Polizei gefasst, auch andere Verhaftungen wurden vorgenommen, und die Polizei wähnte sich endlich vor einem Erfolg. Der Mord an Pavle Bulatović beweist jedoch, dass die Serie keineswegs abgerissen ist, sich ganz im Gegenteil fortsetzt.

Einige bringen den Mord am Minister mit dessen montenegrinischer Herkunft in Verbindung. Die Lage zwischen Serbien und Montenegro ist extrem zugespitzt, in der vergangenen Woche hat die serbische Polizei die Straßen in die südliche Teilrepublik blockiert. Immer wieder gab es in den Medien Befürchtungen, die Armee könnte in Montenegro gegen den dortigen, westlich orientierten Präsidenten, Milo Djukanović, eingreifen. Pavle Bulatović war Montenegriner, Mitglied der Sozialistischen Volkspartei Montenegros, die in ihrem Heimatsland in Opposition ist, in der Föderation jedoch in der Regierung sitzt. In Belgrad wird man sich fragen, ob man einen möglichen Anführer einer Macht beseitigen wollte, die im Namen Belgrads Ordnung schaffen soll? Der Tatort würde zu dieser Theorie passen: Das Resaturant des Fußballclubs war bekannt als Treffpunkt Milošević-treuer Montenegriner.

Montenegriner, Serben, Albaner oder Mafiamörder?

Doch auch eine innerserbische Konspiration kann nicht ausgeschlossen werden. Die Täter fanden ihren Weg durch das nächtliche Fußballfeld und das Militärgelände, was den Verdacht aufkommen lassen muss, dass sie sich sehr gut auskannten. So werden die Ermittler in Belgrad selbst dem für sie schrecklichen Verdacht einer militärischen Verschwörung nachgehen müssen.

Am 17. Februar findet der Kongreß der SPS, der Milošević-Partei, statt, der die Weichen für die Entwicklung in diesem Jahr, in dem Wahlen stattfinden sollen, stellen wird. Ein aufregender Zeitpunkt für das Land, in dem Morde auf der Tagesordnung stehen.

Ivan Ivanji, Wien