Kulturpolitische Demonstration mit Pferd

■ Ein Hochgelobter von gestern: Dieter Dorn, Intendant der Münchner Kammerspiele, gastiert mit seiner Inszenierung von Euripides' Hekabe im Thalia Theater

Wenn Dieter Dorn zum Ende der nächsten Spielzeit die Münchner Kammerspiele Frank Baumbauer überlässt, wird er dort 18 Jahre Intendant gewesen sein. Wichtigster Unterschied zu Jürgen Flimm: Er geht nicht freiwillig. Anfang 1999 lehnte der Münchner Stadtrat Dorns Wunsch einer Vertragsverlängerung um weitere zwei Jahre ab. Aber der 64-Jährige zieht nur ein paar Straßen weiter: Vor einem Monat unterschrieb er beim Residenztheater.

Lange Amtszeiten sind grundsätzlich immer verdächtig. Einige Kritiker werfen Dieter Dorn vor, einer von gestern zu sein, ein Freund des Musealen, ein bloßer Kulinariker, der die Kammerspiele zu einem Tempel der Arroganz hat verkommen lassen. Andere Kritiker rühmen seine große handwerkliche Könnerschaft, seinen ausgeprägten Stilwillen. Und das Publikum freilich liebt ihn für sein ungebrochenes Schauspielertheater und die Art, wie er mit seinem Ensemble hehre Sprechkultur zelebriert.

In den Februar vergangenen Jahres, in die Zeit der hoch schlagenden kulturpolitischen Wogen also, fiel Dorns Inszenierung der Hekabe von Euripides, die nun zu einem zweitägigen Gastspiel ins Thalia Theater kommt. Und sie ist mithin nicht zufällig eine beispielhafte Demonstration seiner Vorstellung von Theater – und wurde in München entsprechend frenetisch bejubelt. Das über 2400 Jahre alte Stück gelangt sehr selten zur Aufführung, weil es gemeinhin nicht zu Euripides' besten gezählt wird. Die Tragödie – extra neu übersetzt von Dorns Künstlerischem Direktor Michael Wachsmann – handelt von der einstigen Königin von Troja, deren Stadt die Griechen dem Erdboden gleichgemacht haben. Von 50 Kindern blieben ihr nur zwei – und auch denen geht es an den Kragen. Aber Gewalt erzeugt wieder nur Gewalt: Hekabes Rache ist grausam.

Dieter Dorn inszeniert das mit dem Gewicht auf dem Archaischen und nicht wenig Mut zum Pathos. Den spektakulären Höhepunkt setzt jedoch nicht ein menschlicher Schauspieler, sondern ein Pferd: Der Regisseur schreckt nicht davor zurück, einen leibhaftigen Kaltblüter auftreten zu lassen.

Ralf Poerschke

Di, 15., und Mi, 16. Februar, 20 Uhr, Thalia Theater