Komische Soziologie

Erfolgs-Proll Atze Schröder sucht mit seinem Programm „Lecker“ das St. Pauli-Theater heim  ■ Von Andin Tegen

„Wenn ich heute Abend auf die Bühne gehe, lese ich mir einfach vorher die Bunte und den Spiegel durch und mache daraus meine Gags“, plaudert der Ruhrpott-Prolet Atze Schröder aus und richtet seinen Dauerwellen-Afro. Die Themen der Zeit verarbeitet der neue Comedy-Star am RTL-Himmel nicht nur in seiner Serie Alles Atze, in der er einen Flachwitz zelebrierenden Kioskbesitzer spielt, sondern auch in seinem neuen Bühnen-Solo-Programm Lecker, das jetzt im St. Pauli-Theater Premiere hatte.

Was den Fernseh-Atze vom Bühnen-Atze unterscheidet, liegt auf der Hand: Letzterer muss improvisieren. Vor allem dann, wenn er per Zuruf aus dem Publikum zum Geschlechtsverkehr oder einem Mallorca-Urlaub aufgefordert wird. „Ich werde oft falsch verstanden. Es geht nicht um Ballermann-Sprüche oder Manta-Humor, sondern um eine Parodie darauf. Ich greife Dinge aus dem Leben auf, lasse sie plakativ in meinen Gags erscheinen und verstecke darin eine soziologische Botschaft.“

Schon in der Schule konnte Atze nie die Klappe halten, was sich unvorteilhaft auf seine Noten auswirkte. Im Essener Stadtteil Kray wuchs er unter der Obhut von Oma, Mutter und Schwester auf. Immer von Stapeln Brigittes und Für Sies umgeben, entwickelte sich Atze schon früh zu einem veritablen Frauenkenner. „In meinen Shows sind meistens mehr Frauen als Männer vertreten“, sagt der 35-Jährige. Die würden ihn eben immer noch besser verstehen.

Eigentlich ist der ehemalige Soziologiestudent Jazz-Rocker, allein sein Drang zum Sabbeln bescherte ihm schon 1993 ein Engagement als Moderator der Mitternachtshow im Schmidt-Theater. Heute sprechen Marktforscher vom „Atze-Boom“ und der „Comedy 2000“. Mit einem gewissen intellektuellen Niveau ist der Durchschnitts-Atze-Gucker hingegen schon ausgestattet, ergab jüngst eine RTL-Marktforschungsstudie. „Die Alles Atze-Autoren sind nominiert für den Grimme-Preis. Das Grimme-Komitee und die Jungs vom Spiegel sehen meine Show und erkennen die Persiflage darin“, rechtfertigt der Erfolgs-Prolet den „Atze-Boom“ und kontert den Vorwurf der Niveaulosigkeit. Sein komödiantischer Ansatz solle ihn zwar nicht zu einem Meinungsführer der Republik machen, als Spiegel der Gesellschaft empfindet er Comedy jedoch nach wie vor.

Die Teilnahme an einer WDR-Talkshow mit Jürgen Rüttgers und Jürgen Möllemann brachte ihn auf die Idee, sich demnächst ans Genre politische Satire zu wagen. „Hinter den Kulissen stellte sich heraus, dass unser Land in schwer italienischen Verhältnissen lebt. Möllemann haut sich vor der Sendung 'ne komplette Flasche Wein rein, und vor der Kamera macht er dann auf seriös.“

Der Mann, der weiß, „wo der Frosch die Locken hat“, sieht ein, dass er als reiner Spartenfüller ein absehbares Verfallsdatum besitzt. Er denkt da etwa an Otto Waalkes: „Ein handwerklich perfekter Komödiant, doch letztendlich ein verbitterter Mann, der neidisch und nostalgisch auf die jungen Kollegen blickt.“ Irgendwann ist eben Schluss. Er würde dann am liebsten ein Jungtalent in die Geheimnisse des Comedy einweihen und managen. „Man hat dann ja schon erfahren, was auf der Bühne funktioniert und was nicht.“

Seinen Idolen Heinz Erhardt, Jerry Lewis und Otto Waalkes will der Komiker dabei immer ein Geis-tesverwandter bleiben. Doch am Ende fragt er sich plötzlich, ob sein Wortschatz dafür nicht eventuell zu klein sei. „Du hast eben das Wort ,relevant' benutzt. Das kommt bei mir gar nicht vor.“

noch am 14. und 15. Februar, 20 Uhr, St. Pauli-Theater