„Die Sonne und das Salz sind stärker“

Fitness vor dem Feind: Ein Gespräch mit Claire Denis über ihre militärische Wüstenfantasie „Beau travail“

Es dauert eine Zeit, bis man begiffen hat, woraus dieser Film besteht. Vielleicht weil man beim Anblick von Uniformen automatisch auf Action gepolt ist. In „Beau travail“ folgt die Französin Claire Denis einem Häuflein Fremdenlegionären, das in der Wüste von Dschibuti sein Lager aufgeschlagen hat. Weitere Aufgaben oder ein Ziel scheinen nicht zu existieren. Kampftraining, Morgengymnastik, Marschieren, Kartoffelschälen, Steine tragen – und wieder alles von vorn. Denis setzt Körper in Szene, die keine andere Funktion haben, als im Exerzieren ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Kamera folgt Muskeln, Linien und Sehnen, neugierig, ohne sich ihres Interesses zu schämen. „Beau travail“ ist die Fantasie einer Regisseurin, die den männlichen Körper in der Wüste wie unter einem Vergrößerungsglas betrachtet. Durch Denis Lavants heisere Off-Stimme wird der Film auch zur melancholischen Erinnerung eines Mannes, für den die Männergemeinschaft der Legion alles war – auch unbewusst erotische Heimat. Der blaue Golf von Dschibuti, die Hitze, die Körper – die Legionäre sind nicht nur die Objekte des Kamerablicks von Agnès Godard, sie sind auch lächerlich kleine Objekte in einer Landschaft, die sich so wenig für ihre Exerzitien interessiert wie die Bewohner der nahen Dörfer.

taz : Claire Denis, Ihr Film zeigt eine Hand voll Fremdenlegionären in der Wüste. Die Männer scheinen aus der Hierarchie der Legion herausgefallen.

Claire Denis: Ich wollte den Film eigentlich nach einer Zeile in einem Gedicht von Herman Melville benennen: „No Chief in View“ – „Kein Anführer in Sicht“. Denn die Maschine der Legion marschiert von ganz allein. Nur die Hauptfigur, Oberst Galou, der von Denis Lavant gespielt wird, glaubt noch an die Notwendigkeit eines Chefs. Wahrscheinlich weil er seinen eigenen Chef liebt. Aber Galous Männer funktionieren auch ohne ihn. Für mich waren die Fremdenlegionäre in meinem Film immer wie Astronauten, die nach zehn Jahren von einer Raumstation auf die Erde zurückkehren und sich auf dieser Welt völlig fremd fühlen.

Zu Beginn Ihres Films kam mir der Kamerablick voyeuristisch vor, mit der Zeit gewöhnt man sich aber an die Unvoreingenommenheit, mit der Sie die Körper der Männer filmen.

Das Körperliche sollte das Zentrum, das Objekt meines Films sein. Der zäh trainierte Körper als Gefängnis der Gefühle. Deshalb haben wir, die Kamerafrau Agnès Godard, die Darsteller und ich, alle zusammen zwei Monate lang militärisch trainiert. Agnès und ich wollten die Körper ohne vorgefertigtes ästhetisches Konzept, ohne „Idee“ filmen. Das Körperliche sollte so etwas wie die wahre Off-Stimme des Films sein.

Es hat etwas Irritierendes, diese Anhäufung von hochtrainierten Männerkörpern zu sehen, die alle unter dem Bann der Keuschheit zu stehen scheinen.

Ich würde es eine domestizierte Sexualität nennen. Wie in einem Kloster. Wenig essen, viel beten, singen. Aber für Agnès Godard und mich ging es nicht in erster Linie um Keuschheit. Eher um das Gefühl, dass man beim Filmen nicht die Barriere überschreitet, die die Fremdenlegion um die Körper gelegt hat. Wenn die Legionäre ausgehen, dann gibt es natürlich in der Diskothek die Begegnung zwischen ihnen und den afrikanischen Prostituierten. Aber ich habe die Frauen wie Kriegerinnen gefilmt, sie tanzen wie Soldatinnen. Letztlich formieren sie sich zu einer Art Armee, denn sie haben auch etwas zu verteidigen.

Wie würden Sie für Ihren Film das Verhältnis von Landschaft und Körper definieren?

Agnès und ich, wir haben uns gesagt: Bloß keine Landschaft. Das war unser Vertrag, unsere Idee, unser Credo. Natürlich sieht man die Landschaft im Hintergrund, aber nie als etwas Dekoratives. Die Körper der Männer sollten wie die Fortsetzung dieser atemberaubenden vulkanisch erstarrten Umgebung wirken. Wir haben uns vor dieser Landschaft wirklich sehr in Acht genommen, wir haben sie nicht gesucht, sie sollte von selbst den Film betreten.

Die Körper, die Landschaft und die Hitze, das wirkt manchmal wie ein persönliches Phantasma der Regisseurin . . .

Es ist natürlich mein Phantasma, mein Traum. Aber es ist auch der Traum der Hauptfigur, Oberst Galous. Als hätten sich die Bilder und das Bewusstsein ihres unwiderbringlichen Verlusts für immer in seine Erinnerung eingeschrieben.

Waren Sie sich der Gefahr der Ästhetisierung des Militärischen bewusst?

Ja, aber andererseits filme ich ja Soldaten, deren Funktion verloren gegangen ist. Es sind Phantome. Ich glaube, „Beau travail“ ist nicht eine Sekunde lang eine Feier des Militärischen. Ich zeige, was von den Männern bleibt, wenn sie alles andere verloren haben – nur die Idee, dass die Disziplin ein Ideal verkörpert. Das ist keine Feier, sondern eine Tragödie.

Ich hatte Schwierigkeiten mit der Szene, in der die Männer im Sonnenaufgang ihre Übungen machen und Musik von Benjamin Britten erklingt. Da liegt schon Pathos in den Bildern.

Für mich ist es das Gegenteil. Galou und seine Männer sind gerade in ihrem neuen Camp mitten in der Wüste angekommen, und sie haben das Gefühl, beim Training die Landschaft zu überschauen und zu beherrschen. Aber gleichzeitig sieht man auf umliegenden Hügeln Männer aus der Umgebung, die dem Ganzen verständnislos zusehen. Und in der nächsten Szene hacken die Soldaten Löcher in den Boden einer riesigen Steinwüste. Das wirkt so lächerlich und sinnlos, dass ich das Gefühl hatte, bis an die – vielleicht pathetische – Grenze dieser Lächerlichkeit gehen zu müssen.

So gestählt die Körper auch sind, so verletzlich wirken sie dann wieder angesichts der Sonne und der Landschaft . . .

Die Sonne und das Salz sind stärker. Der trainierte Körper eines Legionärs ist niemals so stark wie der eines Kameltreibers, der die gleiche Wüste durchquert. Es gibt eine Szene, in der man die Männer hart marschieren sieht, und auf der gleichen Strecke geht eine Frau mit Kind – für sie ist das Alltag.

Interview: Katja Nicodemus „Beau travail“. Regie: Claire Denis. F, 90 Min. Heute, 15.30 Uhr, Cinemaxx 3; 21.30 Uhr, Delphi. 11. 2., 14 Uhr, CineStar 8, Sony Center; 21 Uhr, Babylon.