Böse Hacker greifen grundlos das Internet an – oder nicht?
: Kevin Mitnick kann lachen

Da machen sich ein paar Freaks den Gag und hacken sich nach monatelangem Tüfteln in die Websites einiger kapitalistischer Großunternehmen ein – und siehe da, die Obrigkeit heult auf und fordert entschiedene Schritte gegen den „Digitalterrorismus“. Dabei war der Schaden, wie selbst die Firmensprecher der behackten Seiten zugeben, „recht bescheiden“. Geht da ein neues Gespenst um? Marx und Bakunin würden sich angesichts dieser Frage im Grab umdrehen. Wieder einmal, man kennt es ja aus der Geschichte, wird der kleine Mensch verantwortlich gemacht für die Schwächen des Kapitalismus.

Da versuchen Wirtschaftskonzerne ihre Vorherrschaft im Internet zu festigen und bauen immer größere Server, vereinahmen immer größere Datenmengen – und dann kommen einige Heimcomputer-Aktivisten und klopfen unsanft an die Netzwerke an und sagen: Ihr Netzumspanner, wir sind auch noch da. Kevin Mitnick kann lachen. Wie, Kevin, den kennt ihr nicht? Woher auch: Über den Hacker ganz oben auf der Most-Wanted-Liste des FBI stand in der taz einmal pro Jahr eine dpa-Meldung, das war’s.

Dass sich die Kapitalisten schwer tun mit den Cyber-Einmischern, das ist verständlich. Aber die Linke und Alternativler sollten die digitale Realität stärker wahrnehmen: Denn es tummelt sich viel Progressives im Netz. Nicht nur die Tschetschenen kämpfen mit ihrer Homepage gegen die Propagandalügen Moskaus an, Indianer im Amazonas erheben ihre Stimme gegen die internationale Holzmafia im Netz, die Iniut in Kanada, die Schwulen in Nairobi und viele mehr schreien ihre Probleme im Netz heraus – und werden ignoriert von Yahoo, CNN oder Amazon. Denn diese Internet-Haifische stehen nun mal einzig auf Mainstream und geben Goldfischen nicht einmal ein Reservat frei. Es zeigt sich: In der Datenflut des Internets sind die Suchmaschinen die Maschinen der Macht. Wer sie besitzt, steuert den Zugang zu den Informationen und die Wahrnehmung der Welt. So bleibt nur, diese Großen anzuhacken, um zu zeigen, dass wir Kleinen auch noch da sind.

Die Angst der Mächtigen, Hacker-Freaks könnten das „ganze Internet sprengen“ (Bild ) verdreht die Wahrheit, wie so oft. Netzspionage betreiben Nato, KGB-Nachfolger, CIA und all die anderen dubiosen Dienste schon lange unter sich. „P-415-Echolon“ nennt sich der weltumspannende Horchdienst der Amerikaner, der jährlich Milliarden E-Mail-Sendungen durchwühlt und aushackt – ohne dass sich irgendwer darüber aufregt. Karl Gersuny