Gewerkschaft HBV weiß nicht weiter

Nach 14 Monaten Tarifkonflikt im Bankgewerbe sucht die HBV Rat bei ihren Mitgliedern. Das Problem ist ein kleines Detail in dem Abschluss, den die DAG schon längst mit den Arbeitgebern erzielt hat ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Es kommt nicht häufig vor, dass Gewerkschafter ratlos sind. Dieser Tage allerdings muss die Gewerkschaft Handel Banken Versicherungen (HBV) unumwunden zugegeben, dass sie nicht weiter weiß. Die Gewerkschaftsspitze sucht Rat bei den etwa 100.000 Mitgliedern. Die Angestellten in den Banken sollen entscheiden, ob der Tarifkonflikt, der seit nunmehr 14 Monaten andauert, beigelegt wird oder nicht.

Es ist schon paradox. Monatelang hatten HBV und die zweite Gewerkschaft im Bankbereich, die DAG, mit den Arbeitgebern verhandelt. Allerdings konnte sich bislang nur die DAG auf einen Tarifabschluss mit den Arbeitgebern einigen. Demnach können die 470.000 Beschäftigten des privaten Bankgewerbes im März mit 400 Mark als Einmalzahlung rechnen. Ab April sollen die Gehälter um 1,5 Prozent steigen und im August abermals um 1,5 Prozent.

Der Tarifvertrag brächte den Banken eine langfristige Perspektive, da er rückwirkend abgeschlossen über 27 Monate bis Ende 2001 läuft. Im Prinzip kann ihm auch die HBV zustimmen, wäre da nicht dieses Detail mit der Samstagsarbeit, die den Gehaltsabschluss für die HBV „unakzeptabel“ macht. Künftig sollen Neueinsteiger für Samstagsarbeit nicht mehr zusätzlich mit Freizeitausgleich entschädigt werden – im Gegensatz zu ihren Altkollegen. Falls die HBV diesem Vorhaben doch noch ihren Segen gibt, könnte demnächst die Zwei-Klassen-Gesellschaft hinter den Bankschaltern einziehen. HBV-Verhandlungsführer Klaus Carlin hält die Spaltung der Arbeitnehmer in Alt- und Neubelegschaften für „schlicht unerträglich“.

Das können seine DAG-Kollegen nur schwer verstehen. Sie sind froh, am 24. Januar eine Einigung mit den Arbeitgebern erzielt zu haben. Der unterschiedlichen Vergütung bei der Samstagsarbeit habe man doch nur für eine Testphase von zwei Jahren zugestimmt, heißt es beim Gewerkschaftsvorstand. Zudem bestehe auch eine Spaltung der Belegschaften in tarifloser Zeit – wie in den vergangenen 14 Monaten. Jeder, der in dieser Zeit angestellt wurde, war tarifvertraglich nicht geschützt, während für die Altbelegschaften der alte Tarifvertrag nachwirkte. Schließlich habe man doch auch einiges erreicht: das 13. Monatsgehalt wird gezahlt wie bisher, der Altersteilzeitvertrag wird verlängert. Verglichen damit „ist die Sache mit der Samstagsarbeit eine kleine Kröte“, sagt DAG-Sprecher Ingo Schwope.

Was sich so nett sagt, ist ein Novum in der deutschen Tarifpolitik. Einen Flächentarifvertrag, der zwei Kategorien von Belegschaften vorsieht, hat es bisher noch nicht gegeben. Unvorstellbar etwa für die IG Metall, sich auf ein solches Werk einzulassen. „So etwas wäre bei uns ganz, ganz undenkbar“, sagt deren Sprecherin Dagmar Opoczynski.

Es ist ja auch ziemlich kurios. DAG und HBV können sich nicht auf einen gemeinsamen Tarifvertrag einigen, wollen aber in wenigen Monaten mit drei anderen die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gründen. Werden sie dann auch weiter gegeneinander kämpfen? Die beiden Streithähne wehren ab. Solange zwei Gewerkschaften mit selbstständigen Tarifkommissionen verhandelten, seien zwei unterschiedliche Auffassungen in der Ergebnisrunde normal, sagt Schwope.

Der Jammer der Spitzenfunktionäre lässt die Basis recht unberührt. Gerald Schröter vom Berliner HBV-Landesverband bezweifelt, dass nur annähernd 75 Prozent der Befragten zum Streik bereit sind. Sein Kollege Lothar Hemmen, Betriebsrat bei der Berliner Volksbank, hält die Frage, ob am Samstag nur gegen bessere Vergütung gearbeitet werden soll, nicht für entscheidend. „Vor allem bei den unter 30-Jährigen ist es klar, dass der Samstag als Werktag zählt“, sagt Hemmen. Folglich könne der neue Tarifvertrag auch kein Tabu brechen.

In 25 Gewerkschaftsjahren hat sich Hemmen zwei Dinge eingeprägt: „Erstens ist nur jeder fünfte Kollege gewerkschaftlich organisiert. Zweitens: Wir sind erpressbar.“ Stellenabbau und hohe Arbeitslosenzahlen „machen schon dankbar für jede Form von Kündigungsschutz“.