„Es kommt sowieso alles raus“

■ Fünf Apotheken stehen im Verdacht, von der Drogensucht ihrer Kunden profitiert zu haben: Geld für nie ausgegebene Medizin

Ein Sumpf tut sich auf in Bremen: Mindestens fünf Apotheken sollen aus dem Leid ihrer drogenabhängigen Kunden Profit geschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft, die Kripo, die Krankenkassen – alle ermitteln, um den Verdacht zu erhärten. Der Vorwurf: Aids-kranke Junkies sollen ihre Rezepte für teure Aids-hemmende Medikamente an Apotheken verkauft haben, ohne das Medikament zu erhalten. 300 Mark etwa sollen Drogenabhängige für Rezepte des Aids-Mittels „Retrovir“ erhalten haben. Die Apotheker sollen sich die Mittel dann von der Kasse bezahlt haben lassen. Eine Monatsration kostet um die 3.000 Mark. Verdienst für die Apotheker: 2.700 Mark. Auch mit teuren Mittel gegen Krebs soll so umgegangen worden sein.

Vorläufiger Höhepunkt der Affäre, die vor zwei Wochen von der Radio-Bremen Sendung „Buten & Binnen“ nach einem Hinweis aufgedeckt worden war: Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) erstattete Strafanzeige gegen die Verdächtigten. „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre das ein ungeheuerlicher Vorgang“, sagt sie. Ärzte sind in den Skandal mit verwickelt: Manchen Patienten wurde die mehrfache Monatsration an Medikamenten verschrieben.

Den Stein ins Rollen bringen wollten schon im November die Aids-Hilfe und das Hauptgesundheitsamt, die aus der Szene seit langem Hinweise auf die Machenschaften erhalten hatten. Vertreter beider Organisationen wurden bei der Staatsanwaltschaft vorstellig, um auf den Skandal hinzuweisen. Der Oberstaatsanwalt beauftragte eine jüngere Kollegin mit dem Fall. Als bis Januar nichts geschah, wurde man erneut vorstellig, um weitere Verdachtsmomente zu präsentieren. Die Staatsanwältin bat um eine schrtiftliche Version des Vorgetragenen. Einen Tag nachdem der Brief bei der Staatsanwaltschaft eintrudelte, berichtete Buten & Binnen über den Fall. Erst seit diesem Zeitpunkt ermittelt die Kriminalpolizei. „Die haben gebummelt“, sagt nicht nur Helmut Oppermann von der Aids-Hilfe.

Dabei hätte die Staatsanwaltschaft schon lange von den Geschäften wissen können, argumentiert Oppermann. Denn in der Szene sei der Rezeptverkauf seit ungefähr zwei Jahren ein offenes Geheimnis gewesen. Die betroffenen Apotheken, drei im Viertel und zwei in anderen Stadtteilen, hätten über die „Rohypnol-Connection“ Kontakt zu Drogenabhängigen bekommen. Unter der Ladentheke sei seit ungefähr acht Jahren – teilweise im „großen Stil“ – das Mittel für den Drogen-Beikonsum verkauft worden. Beweisen konnte man bisher allerdings nichts.

Bei der Staatsanwaltschaft soll inzwischen ein Rechtsanwalt der Beschuldigten vorstellig geworden sein. Angeblich sei eine Selbstanzeige erwogen worden, hieß es. Doch bisher sei eine solche nicht eingegangen, es werde „gegen unbekannt“ ermittelt, sagt Staatsanwalts-Sprecherin Ingrid De Boer.

Der Präsident der Apothekerkammer Bremen, Richard Klämbt, fürchtet nun, dass der Skandal sich noch ausweitet und fordert eine schnelle Klärung der Vorwürfe. „Irgendwann kommt ohnehin alles raus“, ist er sicher. Die Kammer ist dafür zuständig, einen Entzug der Approbation der Apotheker zu beantragen. Christoph Dowe