Berlinalie
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Meine Berlinale ging schon Dienstag los. Nachmittags verabredete ich mich zu einem Interview mit Sandrine Kiberlain (!!), deren Wettbewerbsfilm „Love Me“ nächste Woche läuft. Liebe, so schön und so weit weg wie Containerschiffe. Dann sprach ich in ein Überseetelefon. Und ging lachend über den regnerischen Savignyplatz, in dem Bewusstsein, einen Satz gesagt zu haben, den ich vorher nur von Schallplatten kannte.

Dann, im Café Aedes, packte ich mein frisch erworbenes dickes Berlinale-Programmheft auf den Tisch, damit alle merkten: He, Leute, ick bin vonne Filmfestspiele. Blätterte nervös in der FAZ, ließ mich von einer S-Bahn so erschrecken, dass mein frecher Milchkaffeerotzlöffel mich fast erschlagen hätte.

Eine Sekunde später begann die Berlinale. Natürlich mit ersten Flirt-Gehversuchen. Zwei Tische entfernt kaffeesierte eine nicht uninteressante Frau mit einem Kerl, der sie offensichtlich unterforderte. Sie warf mir sehnsuchtsvolle Blicke zu, als sie ihm irgendwas über ihre Redakteurstätigkeit beim ORB-Fernsehen erzählte. Die Frau hatte leider keine große Chance, ich hatte am Vorabend in „Ausweitung der Kampfzone“ geblättert: „Die ist mindestens so alt, wie du in fünf Tagen wirst, vergiss sie, flüsterte mein frecher Kaffeelöffel, hör lieber mal hier links neben dir zu. Die hübsche Kleene will unbedingt zum Film. Guck mal auf ihren Busen, die hat so ein T-Shirt mit Glänzzeugs an, außerdem ist sie viel jünger und knuspriger als du, mit der solltest du . . .“ Er verstummte erst, als ich ihn tief untertunkte. Aber er hatte (wieder mal) Recht.

In etwa einem Meter Entfernung von mir kämpfte eine junge Schauspielerin um ein Engagement. Ein angegrauter, aber noch attraktiver Regisseur machte ihr vage Angebote: „Ja, ich hab Ihr Video gesehen. Ja, ich werde Sie anrufen, ja, ich verfolge mehrere Projekte. Doch doch, ich werde mich melden, ja, ich habe jetzt gleich noch einen Termin . . .“

Weg war er, was würde sie nun tun? Genau, erst mal schnell zum Klo, dann einen Prosecco. Sie schien zufrieden. Beugte sich in meine Richtung, wo ihre Tasche auf einem Stuhl stand. Holte das Programm der Independent-Cinemas raus, las interessiert.

„Frag sie, ob sie ins Kino gehen will“, flüsterte mein Löffel. Ihr T-Shirt funkelte mich an, und tatsächlich: Sie wollte ins Kino. Wir sind dann aber erst mal zu 2-Mark-Mini-Pizza-Ali-Baba Bleibtreustraße, haben die Kellnerinnen beobachtet und beide gefunden, dass die früher bestimmt Prostis waren. Nach dem zweiten halben Liter Wein war es zu spät für „Boys Don’t Cry“, also hat sie mich ins „Florian“ gebracht, wo ich noch nie gewesen war. Sabine kannte hier alle, sogar den Krol. Sabine hat sich dann immer mehr für den braun gebrannten Michael von der Ufa begeistert. Wir zahlten fast hundert Mark für Wein, waren alle total betrunken und happy. „Aber Berlinale is’ doch erst morgen“, meinte der Taxifahrer. „Quatsch!“, brüllte der Löffel laut aus meiner Jackentasche. ab