Sandalen auf Leonardo Superstar

Das Internet debattiert: Vor Jahren spielte Leonardo DiCaprio in dem Low-Budget-Film „Don’s Plum“, heute versucht er dessen Veröffentlichung mit allen Mitteln zu hintertreiben

Mit Blick auf „The Beach“ ist sozusagen die zweite große DiCaprio-Hysterie im Gange. Nicht nur in den englischsprachigen Jugendzeitschriften, sondern diesmal auch im Internet. Dort hat in den vergangenen Wochen eine Debatte neuen Auftrieb erhalten, die bereits seit zwei Jahren köchelt. Es geht dabei um einen Low-Budget-Schwarzweißfilm aus dem Jahr 1996, in dem Leonardo DiCaprio mitspielt, den er seit seinem Durchbruch mit „Romeo and Juliet“ aber zurückzubinden versucht. Mit juristischen Mitteln ist ihm, respektive seinem Management, das bisher gelungen.

„Don's Plum“ heißt der Film, nach einem Restaurant im San Fernando Valley, in dem die ganze Handlung angesiedelt ist. Amerikanische Branchenkenner, die den Film gesehen haben, beschreiben ihn als ungeschliffenes, halb improvisiertes, oft überdrehtes Freundschaftsdrama. Es geht um eine Gruppe junger Männer, die zusammen mit ihren Freundinnen in „Don's Plum“ abhängen, Alkohol trinken, übers Saufen, über Drogen und Selbstbefriedigung sprechen, sich gegenseitig hochnehmen und die Sau rauslassen – als wenn John Cassavetes ein Generation-X-Drama gedreht hätte, schrieb einer der Zuschauer. Ein Film fast ohne Action – einmal allerdings wirft Amber Benson ihre Birkenstocksandale nach Leonardo Superstar.

Gedreht wurde in wenigen Nächten im Juli 1995, kurz bevor DiCaprio in New York für „Marvin's Room“ vor der Kamera stand. Neben Leonardo spielte auch Tobey Maguire mit, der seither dank Ang Lees „The Ice Storm“ und Woody Allens „Deconstructing Harry“ Karriere gemacht hat. Maguire und DiCaprio sind Freunde, seit sie 12 oder 13 waren. Ein Freund war auch der Schauspieler R. D. Robb, der bei „Don's Plum“ erstmals Regie führte. Offenbar spielten DiCaprio und Maguire mit, um als damals bereits halbwegs prominente Darsteller dem Jungregisseur und der beteiligten Nachwuchsriege beim Karrierestart zu helfen. Ihre Gage betrug läppische 575 Dollar pro Tag (andere Quellen sagen, dass alle gratis gespielt hätten). Im März 1996 wurden noch einmal zusätzliche Szenen gedreht.

Am 21. Juni 1996 kam die Crew im Hauptquartier der Filmgesellschaft MGM /United Artists zusammen, um der geschlossenen Premiere beizuwohnen. Übereinstimmenden Zeugenaussagen gemäß war DiCaprio echt begeistert von dem Film. Doch im folgenden Monat hat er seine Meinung geändert, und offenbar spielt dabei auch Maguire eine wesentliche Rolle. Die beiden überwarfen sich aufs Heftigste mit Jungregisseur Robb, obwohl sie seit mehreren Jahren befreundet waren. Die genauen Gründe bleiben vorderhand unklar. Ein Aspekt jedoch ist sicher: „Don's Plum“ passt mit seinem pubertären Gestus schlecht zum eher sauberen Image von DiCaprio und Maguire, zumal beide auf dem Weg waren, richtige Stars zu werden. Vermutlich haben die Managements der beiden Darsteller sich aus Gründen der Vermarktbarkeit auch in diese Richtung geäußert.

In der Folge haben Maguire, DiCaprio und ihre Agenten jedenfalls alles getan, um den Film zu stoppen. Im November 1996 hätte er in Sundance beim wichtigsten Independent-Film-Festival der Welt laufen sollen, doch das haben die Vertreter von DiCaprio und Maguire anscheinend unter Aufbietung schwerer Drohungen verhindert. Damals kam es auch zu hässlichen Szenen, bei denen die zwei Schauspieler den Regisseur mehrmals öffentlich beleidigt und offenbar härtestes Mobbing betrieben haben. Infolgedessen wurde Regisseur Robb, obwohl sich mehrere wichtige Talentagenturen für ihn interessierten, von allen fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, nachdem jeweils die Agenten von DiCaprio und Maguire vorgesprochen hatten. Robb hat bis heute nur noch drei unbedeutende Filmrollen gespielt und Regieprojekte hat er keine mehr.

Im März 1997 wollte die Firma Miramax „Don's Plum“ kaufen und in die Kinos bringen, doch die Abgesandten der beiden Schauspieler wussten auch das zu sabotieren, indem sie anscheinend mit Schadenersatzklagen drohten und sagten, die Produzenten seien gar nicht berechtigt, den Film zu vertreiben. Im April 1998 wurde es dem Koproduzenten David Stutman dann zu bunt und er reichte im Namen seiner Firma Polo Pictures Entertainment eine Multi-Millionen-Dollar-Klage gegen DiCaprio, Maguire und gegen unbekannte Mitverdächtige ein.

Schließlich wollten die Produzenten ihre Ausgaben in sechsstelliger Dollarhöhe wieder eintreiben, was ihnen unmöglich ist, solange der Film nicht ausgewertet werden kann. 1999 erzielten die Parteien eine außergerichtliche Einigung, über die nichts bekannt ist. In Folge dieses Rechtshandels ist die Auswertung von „Don's Plum“ in den USA und Kanada untersagt.

Doch mittlerweile sind DiCaprio-Fans und -Hasser aktiv geworden, haben große Auszüge von Stutmans Anklageschrift und andere Dokumente im Faksimile ins Internet gehängt und damit schlafende Hunde geweckt.

Angeblich bemühen sich nun Verleiher in Japan, Neuseeland und anderen Ländern, den Film freizukriegen. Und den Website-Betreibern mit den meisten Informationen über den Fall werden die Türen eingerannt.

Ob „Don's Plum“ je ins Kino gelangen wird, ist unsicher. Aber die Erfahrung sagt, dass praktisch jeder umstrittene Film irgendwann zumindest auf Video zugänglich wird. Und wie der Autor einer Website prophetisch anmerkt: „Dann dauert es wohl etwa zwei Stunden von der Veröffentlichung des Videos bis zum Zeitpunkt, wo ganze Szenen des Films im Internet verfügbar sind.“

Thomas Kramer