Eine neue Chance für Versöhnung

In Mostar stehen sich Kroaten und Muslime unversöhnlich gegenüber. Noch. Der Machtwechsel in Kroatien bremst die Nationalisten ■ Aus Mostar Erich Rathfelder

Im östlichen Teils Mostar geht der Aufbau voran. Aus vielen Ruinen sind wieder schmucke Häuser geworden, manche im türkischen, andere im habsburgisch-österreichischen Stil. Die Steine der berühmten, von den Kroaten 1993 zerstörten Brücke liegen aber noch im Fluß Neretva.

Solange die Steine dort lägen, bleibe die Stadt geteilt, sagen manche Bewohner im „muslimisch-bosniakischen“ Teil der Stadt. In der Tat: Es wird nicht mehr geschossen, auch zu Überfällen kommt es nicht mehr, doch zwischen dem bosniakischen Ostteil und kroatisch dominierten Westteil besteht die Grenze weiterhin.

Und das trotz aller Anstrengungen der internationalen Institutionen, trotz allen Geldes, das hierher geflossen ist, trotz der Gemeindewahlen. „Wir wollen nichts mit denen da drüben zu tun haben“, sagt die 30-jährige Dubravka, eine bosnische Kroatin. Vor einem Jahr hat sie sich hier eine Wohnung gemietet und will mit ihrer Freundin im kroatischen Teil ein Geschäft aufmachen. Die Mieten für Räume sind billig, 1.500 Mark für 200 Quadratmeter. Dass diese Räume vor der Vertreibung 1993 Muslimen gehörten, stört sie nicht. „Hier sind wir Kroaten unter uns.“ Sie hat noch niemals den anderen Teil der Stadt besucht. Politik interessiere sie nicht, sagt sie.

Doch auf die Wahlen in Kroatien angesprochen, outet sie sich als Anhängerin des verstorbenen Präsidenten Kroatiens Tudjman. Sie weist alle Vorwürfe gegenüber der kroatischen Seite zurück. Die Muslime hätten den Krieg begonnen, sagt sie. „Wir wollen unter uns sein.“ Das schließt nicht einmal die kroatischen Alteinwohner ein, die für Ausgleich eintreten. „Wer im Krieg nicht gekämpft hat, soll verschwinden, auch wenn es Kroaten sind.“ „Unter uns“ sind die bosnisch-kroatischen Kämpfer aus der Westherzegowina und aus Zentralbosnien, die die Wohnungen der vertriebenen Bosniaken und Serben übernommen haben. In den Kneipen sind sie allgegenwärtig, „Bisines“ ist hier das Stichwort, Geld machen mit Autoschmuggel, zollfreien Waren nach Kroatien und Bosnien. Zwar sind große Mafiosi verschwunden, Westmostar ist jedoch immer noch Heimstatt für eine bizarre Halbwelt. Und die will nicht zulassen, dass die ursprünglichen Bewohner zurückkehren.

Auch die politische Führung nicht. Marko Tokić, Mitte 30, ist Generalsekretär der HDZ Bosnien-Herzegowinas. Er ist über den Niedergang der Schwesterpartei in Kroatien tief enttäuscht. Er weiß, dass auch hier in Westmostar bald die Machtfrage gestellt wird. Denn ohne die Hilfe aus Zagreb, finanziell wie militärisch, wird sich der kroatische Teilstaat „Herzeg-Bosna“ nicht halten lassen.

Der Wind ist schon jetzt schärfer geworden. Internationale SFOR-Truppen haben vor vier Monaten die Räume der kroatischen Polizei durchsucht und viele Akten mitgenommen. Die Kasernen der kroatisch-bosnischen Armee HVO umstellten unlängst SFOR-Truppen, bis weitere Akten herausgegeben wurden. Die Radikalen wissen, dass sie belangt werden können und Zagreb ihnen nicht mehr hilft. „Wir Kroaten werden das Land verlassen“, sagt Tokić trotzig. Und meint damit sich selbst.

Trotz allem, es gibt sie noch: die normalen Kroaten der Herzegowina. So wie den Mechaniker Ivan. Er stimmte für Mesić, den erklärten Feind der kroatischen Extremisten. Nur 14.000 Kroaten Bosniens stimmten ab, mit 93 Prozent für Budiša. „Macht nichts“, sagt Ivan, „die meisten warten und werden bleiben, jeder will normale Verhältnisse. Die Macht der Extremisten bröckelt.“