Abtrünnige werden exkommuniziert

In Magdeburg hat sich die DVU-Fraktion gespalten. Vielen passt der despotische Parteichef und sein Finanzgebaren nicht mehr. Frey schlägt zurück: Auf dem heutigen Bundesparteitag will er seine Kritiker rausschmeißen ■ Von Annette Rogalla

Wenn Gerhard Frey, Chef der Deutschen Volksunion (DVU), seine Anhänger eilig nach München ruft, stehen tief greifende Entscheidungen in der rechtsextremen Partei an. Heute geht es um Rausschmiss. Gleich einer ganzen Landtagsfraktion soll auf dem überstürzt einberufenen Bundesparteitag gekündigt werden.

In der Gaststätte „Mathäser am Hasenbergl“ geht es ab 11 Uhr zur Sache. Die Frage aller Fragen: Wer von den Abgeordneten, die vor zwei Jahren für die DVU in den Landtag von Magdeburg eingezogen sind, darf noch Mitglied der Partei sein? Am Ende der Veranstaltung soll zumindest eine gezwungen werden, ihr Parteibuch zurückzugeben: Claudia Wiechmann. Die 44 Jahre alte Chefin der DVU-Fraktion ist Frey zu aufmüpfig geworden. Außerdem führt sie seit Monaten keine Spende mehr an die Partei ab. Aus Protest gegen den Boss.

„Ich zweifle an, dass die DVU eine demokratische Partei ist“, sagt Wiechmann. Da sitzt sie hinter ihrer dunklen Schreibtischkombination, raucht und berichtet davon, wie ihr langsam die Augen aufgegangen sind. Lange habe sie sich einfach nur darüber gefreut, dass die DVU mit 12,9 Prozent im April 1998 den Sprung in den Landtag geschafft hatte. Dass „Doktor Frey“, wie sie den Bundesvorsitzenden immerzu nennt, Betreuer aus München geschickt habe, die die Fraktion zahlen musste, konnte sie einsehen. Unerträglich aber sei das Verbot, beständigen Kontakt zur Basis aufzunehmen.

Frey fordert Spenden als „Dankesschuld“ ein

„München“, so sagt Wiechmann, habe den DVU-Abgeordneten untersagt, Büros in ihren Wahlkreisen einzurichten, ein Infoblatt mit Nachrichten aus dem Landtag sei ihnen verwehrt worden. Statt dessen halte Frey die Abgeordneten an, in reichlicher Zahl seine National-Zeitung zu abonnieren und bis zu 20 Prozent ihrer Diäten zu spenden.

Seit November bemüht sich Claudia Wiechmann um einen Gesprächstermin bei Gerhard Frey. Vergeblich. Statt eines Terminvorschlags erhält sie Zahlungsaufforderungen in Serie. In einem Brief nennt Frey die Abgeordneten „exzentrisch begünstigt“, die Abgabe eine „minimale finanzielle Seite einer selbstverständlichen Dankesschuld“. Claudia Wiechmann ist sich nicht sicher, ob die DVU nicht doch eine „Phantompartei“ ist, einzig dazu da, Freys geschäftlichen Interessen zu dienen.

Auch ihre Fraktionskollegen erkennen den Münchener Verleger nicht mehr als Vorbild an. „Wer selbstherrlich, dirigistisch ohne jewede Rückkopplung zur Parteibasis dahinregiert, wird letzlich Opfer seiner selbst“, prophezeit etwa Wiechmann-Freund Helmut Wolf.

Mit der heutigen Exkommunizierung will Frey seine Kritiker zum Schweigen bringen – notfalls soll sogar die Satzung der DVU dafür geändert werden. Der Rachefeldzug gegen Wiechmann und ihre Kollegen ist auf seinem Höhepunkt angekommen. Schon seit Monaten wüten Neid und Missgunst in der Magdeburger DVU.

Zum Eklat kam es am 26. Januar, auch „Zapfhahn-Tag“ genannt. An diesem Mittwochmorgen hätte Dieter Kannegiesser in den Wirtschaftsausschuss des Landtages gehen sollen. Doch der ehemalige Getränkehändler, der auch DVU-Landeschef ist, war durstig. Gemeinsam mit einem Fraktionskollegen fuhr er zum Bahnhof in die Kneipe „Zapfhahn“. Weil sie „hoch bezahlte“, aber die Arbeit schwänzende Parteifreunde nicht mehr länger ertragen könne, verlangte Claudia Wiechmann Konsequenzen. Sie ließ ihren Fraktionsvize Kannegiesser abwählen. Daraufhin trat der 59-Jährige auch gleich aus der Fraktion aus. Damit verstärkte er die Gruppe der fraktionslosen ehemaligen DVU-Abgeordneten. Nun sitzen also acht der ehemals 16 DVUler ohne fraktionelle Anbindung im Landtag.

Dieter Kannegiesser soll aus ihnen eine schlagkräftige Truppe machen. Er ist von Frey mit der Bildung einer neuen Fraktion beauftragt. „Anfang nächster Woche ist es so weit“, frohlockt er. Der Rentner hält sich für den wahren Statthalter der DVU. Auf die Wiechmann-Fraktion lässt er Vorwürfe prasseln. „Sie sollen die Partei zersetzen“, sagt er. „Irgendeine Organisation ist daran interessiert, die DVU zu spalten.“ Wer könnte das sein? „Vielleicht der Verfassungsschutz. Vielleicht eine andere rechte Partei.“ Ähnliche Anwürfe schickt Wiechmann nach München. Ihre Klagen gegen Frey hat sie niedergeschrieben und an jedes der 1.400 DVU-Mitglieder von Sachsen-Anhalt geschickt.

Claudia Wiechmann ist so etwas wie der bunte Vogel unter den Magdeburger DVU-Abgeordneten. Selbst auf PDSler hat sie eine Wirkung. „Knallhart und führungsstark“ sei sie. Für Matthias Gärtner klingen Wiechmanns Reden „selbstbewusst, wenn auch auf neoliberaler Grundlage“. Seit einiger Zeit beobachtet Gärtner, dass auch „der rechte Rand der CDU“ bei ihren Reden „wohlgefällig nickt“. Wenn die blonde Frau im Parlament dafür wirbt, alle Polizisten in Sachsen-Anhalt mit „körperangepassten Schutzwesten“ zu bestücken, und zu einer Betrachtung anhebt über „die Korrelation zwischen Schutzwirkung und Tragekomfort“, dann wirken ihre Gedanken zwar bizarr-komisch, aber immerhin kommen die Sätze geschmeidig über ihre Lippen. Wiechmann kann sprechen und schlägt sich nicht mit der Machete durchs Manuskript. Die meisten Anträge, die von der DVU-Fraktion eingebracht werden, stellt sie dem Landtag vor.

Mit Geld gewinnt man Wahlen. Nicht mit Reden

Ihr Widersacher Kannegiesser ist längst still geworden. Sitzt in der Landtagskantine und rührt im Kaffee. Er kann sich kaum mehr erinnern, wann er zum letzten Mal ans Rednerpult getreten ist. „Irgendwann im Dezember“ muss es gewesen sein. Zu welchem Thema? „Das weiß ich schon nicht mehr.“ Reden vor Publikum ist seine Stärke nicht. Und ob man mit Reden Wahlen gewinnt, wagt er zu bezweifeln. Wichtig sei doch, dass „der Herr Doktor“ in zwei Jahren abermals bereit sei, Geld in einen rechten Wahlkampf zu investieren. Schließlich habe Gerhard Frey schon mehrmals gedroht, 2002 kein Geld mehr für Sachsen-Anhalt auszugeben.